Karl Kraus (×)Die Stunde, 20.3.1925


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U I 110/25/9


Oeffentliche – Hauptverhandlung


Strafbezirksgericht I. in Wien am 22. Juli 1925
Beginn ½1 Uhr
Richter: Hofrat Dr. Hoeflmayer
Schriftführer: H.Ri.Dr. Jung.
Staatsanw. Funkt. – – – –
Priv.A.: 1.) Marie Turnovski, )
2.) Karl Kraus ) nicht erschienen
Vertreter – Dr. Oskar Samek.
Angekl. Name folgt, Vertreter Dr. Karl Sterzer,
für Dr. Val. Rosenfeld.


Ang. Dr. Marc Siegelberg.
nicht erschienen, Zustellung der Ladung ausgewiesen.


B.
auf Durchführung der Verhandlung gemäss § 459 St.P.O.
Die Anklage wird vorgetragen.


Der Verteidiger gibt über die Personaldaten und die Anklagen:
Dr. Marc Siegelberg – wie Nr. 3


Verteidiger bringt vor und beantragt wie in O. Nr. 3


Priv. A. bringt vor und beantragt wie in O. Nr. 3


Verlesen wird die Zuschrift und das Gutachten der graph. Lehr- u.Versuchsanstalt Wien II. wie O. Nr. 4 und 6


Zeuge Alois Straniak : Gen. wie in O.n.3 II. Gestettengasse 4a
vh. mit dem Besch. weder verw. noch verschw.
gibt nach WE und Handschlag an:


Das Klischee für das in der inkriminierten Zeitungsnummer
wiedergegebene Bild habe ich nicht angefertigt und weiss
diesbezüglich nichts.


Nach Vorhalt der Aussage Nr. 3: Ich hatte nur die Reproduktion
jener beiden Bilder durchgeführt, die auf Grund der hg. zu U I
109/25 durchgeführten Klage veröffentlicht wurden.


Zeuge Ferdinand Hofbauer : Gen. wie in O.Nr. 3 mit dem Besch.
weder verw. noch verschw. gibt nach WE
und Handschlag an.


Bei der Anfertigung des klagsgegenständlichen Bildes
habe ich in keiner Weise mitgewirkt und kann daher über das
Bild nichts angeben.


Nach Vorhalt der Aussage O.Nr. 3: Bei uns wurden nur jene
Bilder angefertigt, die als Richtigstellung des inkriminierten
veröffentlicht wurden.


Verteidiger gibt an: Ich kann nicht angeben in welcher Anstalt
das Klischee des inkriminierten Bildes angefer
tigt wurde.


Richter gibt bekannt, dass der hg. Akt U I 109/25 sich derzeit
beim Berufungsgerichte befindet und nicht beige
schafft werden konnte.


Priv.A.Vertr: legt Durchschlag der Privatanklage von U I 109/25
vor.


Richter stellt aus diesem, vom Verteidiger als richtig zugege
benen Durchschlag fest, dass darinnen folgende Stelle
vorkommt: „es ist unwahr, dass das vorstehende Bild
den Jubilanten mit seiner Schwester zeigt, wahr ist
vielmehr, dass das Bild des Herrn Karl Kraus mit
seiner Schwester so aussieht. – – –“


Verteidiger beantragt die persönliche Vernehmung jenes
Sachverständigen, der das Gutachten der graph.Lehr und Versuchsanstalt erstattet hat, darüber,
ob es möglich ist, dass dem inkriminierten Bilde
eine Zeichnung zugrunde liegt, dass das Originalbild, das das
Originalbild in allen seinen Einzelheiten täuschend nach
gezeichnet hat.


Priv.Ang.Vertr. spricht sich gegen diesen Antrag aus.


Der Richter verkündet den
B.
auf Abweisung dieses Antrages auf Vernehmung eines Sachver
verständigen, da der Sachverhalt genügend geklärt ist.


Schluss des Beweisverfahrens:
Priv.Ankl.Vertr. beantragt die Bestrafung des Beschuldigten
(ohne jedoch einen Antrag auf Veröffentlichung
des Urteiles gemäss § 43 P-G. zu stellen)
Verteidiger beantragt den Freispruch des Beschuldigten.
Der Richter verkündet das
Urteil
samt Gründen.


Verteidiger wendet gegen das Urteil die Berufung wegen
Wichtigkeit und wegen des Ausspruches über die
Schuld und Strafe ein und ersucht um Zustellung
einer Urteilsausfertigung an Dr. Valentin Rosenfeld.


Priv.Ankl.Vertr. erklärt sich Bedenkzeit zur Ergreifung eines
Rechtsmittels vorzubehalten.


Ende 1 Uhr 15'
Dauer 2½ Stunden
Verhandlungsgeb. 6 S)
vom P.A.
Urteilsgeb. 5 S)
Berufungsanmeldung vom Vert. 3 S


Unterschr.