Die Stunde, 16.6.1925Die StundeWar Karl Kraus ein schönes Kind? [29.4.1925]Die Stunde, 29.4.1925


An das
Strafbezirksgericht IWien.


Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller, Wien III. Hintere Zollamtsstrasse 3
durch:
Vollmacht ausgewiesen zu U I 109/25


Beschuldigter: Dr. Fritz Kaufmans, Redakteur, Wien VIII. Piaristengasse 56.


wegen § 24 Abs. 6 P.G.
1 fach.


Privatanklage.


Mit Urteil dieses Gerichtes vom 25. April 1925 U I 109/25/3
wurde zu Recht erkannt, dass der Beschuldigte gemäss § 24 Abs. 2Zl 2 und Abs. 4 und 6, des Pressgesetzes verpflichtet ist, die Berichtigung des Privatanklägers vom 11. März 1925 in der nächsten
oder zweitnächsten Nummer der Stunde, die nach Verkündigung des
Urteiles anscheinen wird, auf die im Pressgesetze vorgeschriebene
Weise zu veröffentlichen, widrigens die genannte Zeitung nicht
mehr erscheinen dürfte.


In der Nr. 642 der Stunde vom 29. April 1925 erschien die von
mir verlangte Berichtigung, jedoch nicht in der gesetzlich vorge
schriebenen Weise; es waren wiederum beide Bilder verkleinert
und ausserdem an beiden Bildern Retouchen vorgenommen worden,
BEWEIS: Die Nr. 642 vom 29. April 1925, die ich in der mündlichen
Hauptverhandlung vorIegen werde.


Das Erscheinen jeder weiteren Nummer der Zeitung war da
her eine Uebertretung. Seit der Nr. 642 bis heute, an welchem Tage die
Nr. 679 erschienen ist, sind im Ganzen 38 Nummern erschienen, der
Beschuldigte hat daher 38mal die Uebertretung des § 24 Abs. 6Pressgesetz begangen.


Ich bringe diese Klage zwar schon jetzt ein, beantrage aber
vorläufig bis zur Durchführung der Berufungsverhandlung in dem
Prozesse U I 109/25 keine Hauptverhandlung anzuberaumen, da dieser
Prozess im Wesentlichen davon abhängt, ob das Berufungsgericht
meiner Rechtsansicht beipflichten wird, dass auch die Berichtigung
eines Bildes durch ein Bild dem Pressgesetze entspricht.


Ich behalte mir daher die Antragstellung bezüglich der
Anberaumung der Hauptverhandlung im Rahmen der gesetzlichen Ver
jährungsfrist vor.


Karl Kraus.