War Karl Kraus ein schönes Kind? [29.4.1925]Die Stunde, 25.7.1925Die Stunde, 16.6.1925


25. JULI 1925


An das
Strafbezirksgericht I WIEN.


Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller, Wien III. Hintere Zollamtsstrasse 3
durch:


Beschuldigter: Dr. Fritz Kaufmann, Redakteur, Wien VIII. Piaristengasse 56
wegen § 24 Abs. 6 P.G. 1 fach,


Ausdehnung der Privatanklage und Antrag auf Anberaumung
einer Hauptverhandlung.


Ich habe gegen den Beschuldigten zur G.Zl U I 140/25
eine Privatanklage eingebracht, weil er die von mir ver
langte Berichtigung, zu deren Veröffentlichung er mit Urteildieses Gerichtes vom 25. April 1925 U I 109/25/2 verurteilt
wurde, nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise ver
öffentlicht hat, da wiederum beide Bilder verkleinert und an
beiden Bildern Retuschen vorgenommen waren. Auch seit der
Einbringung dieser Klage ist die Berichtigung nicht mehr
ordnungsgemäss erschienen. Die gestrige Nr. der „Stunde“
vom 25. Juli 1925 trug die Nr. 712. Da bereits die Unter
lassung der Veröffentlichung bis zur Nr. 679 unter Anklage
gestellt ist, hat der Beschuldigte weitere 33mal die Ueber
tretung des § 24 Abs. 6 P.G. begangen.


Da nunmehr die Berufungsverhandlung dahin entschieden
hat, dass die Berichtigung eines Bildes durch ein Bild dem
Pressgesetze entspricht, ist auch diese Angelegenheit spruch
reif geworden. Ich dehne die Privatanklage auf die weiteren
33 Uebertretungen durch Unterlassung der Veröffentlichung
der Berichtigung gemäss § 24 Abs. 6 P.G. aus und beantrage
1.) gegen den Beschuldigten eine Hauptverhandlung
anzuberaumen,
2.) denselben wegen der 71 Uebertretungen des § 24Abs. 6 P.G. zu bestrafen,
3.) gemäss § 5 P.G. die Haftung der Herausgeber und
der Eigentümer für die Geldstrafe und die Kosten
des Strafverfahrens zur ungeteilten Hand auszu
sprechen.


Karl Kraus.