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Geschäftszahl U I 223/25
Im Namen der Republik!
Das Straf-Bezirksgericht I in Wien als Pressegericht hat heute in
Gegenwart
des
Privatanklage-Vertreters Dr. Oskar Samek
in Abwesenheit
des Angeklagten Ernst Elly
und in Gegenwart des Machthabers
des Beschuldigten Dr. Fritz Kaufmann
über die Anklage verhandelt, die
der Privat-
ankläger Karl Kraus gegen
Ernst ELLY, 46 Jahre,
ledig, Journalist
wegen der
Übertretung nach § 24 Abs. 6 Preß-Gesetz
erhoben hatte,
und über den vom Ankläger gestellten Antrag auf Bestrafung des Beschuldigten
zu Recht erkannt: Ernst ELLY ist schuldig, er habe als verantwort
licher Schriftleiter
der in Wien erscheinenden Zeitung „DIE STUNDE“ in
der Zeit vom 14.8.1925 bis
21.8.1925 die Nummern 729 bis 734 der „STUNDE“
vor Erfüllung
der mit Urteil des Strafbezirksgerichtes I in Wien vom
25. April 1925 U I 109/25/3
aufgetragenen Verpflichtung zur Veröffentlichung
der Berichtigung des Privatanklägers Karl KRAUS vom 11.4.1925
erscheinen
lassen.
Er hat hiedurch die Uebertretung
nach § 24 Abs. 6 Preß-Gesetz
begangen und wird gemäß dieser
Gesetzesstelle unter Anwendung des § 5Preß-Gesetz und des
§ 266 Straf-Gesetz zu einer Geldstrafe im Betrage
von:
je 3 (drei)
Schillingen im Falle der Nichteinbring
lichkeit zu je 12
(zwölf) Stunden Arrest für jede der
vorgenannten sechs
Zeitungsnummern
und gemäß
§ 389 StPO, zum Ersätze der Kosten des Strafverfahrens
verurteilt.
Gemäß § 5 Preß-Gesetz haften der Eigentümer „KRONOS VERLAG A.G.“
und
der Herausgeber der Stunde
Emmerich BEKESSY, für die mit diesem Urteile
verhängten Geldstrafen und für
die Kosten des Strafverfahrens zur unge
teilten Hand mit dem
Verurteilten.
Gründe:
Mit Urteil des Strafbezirksgerichtes I in
Wien vom 25.4.1925
U I
109/25/3 war dem damaligen verantwortlichen Schriftleiter der Zeitung
„DIE STUNDE“ aufgetragen worden, die vom
Privatankläger Karl Kraus
verlangte Berichtigung vom 11.4.1925 auf die im § 23 Preß-Gesetz vorgeschrie
bene Weise zu
veröffentlichen.
In Nummer 642 der „STUNDE“ ddo. 29.4.1925 war hierauf die Berichtigung erschienen, die jedoch nicht dem Preß-Gesetz und der
ausgesprochenen
Verpflichtung
entsprach. Wie nämlich der Augenschein ergab, waren die in der
Nummer 642 der „STUNDE“ als Berichtigung wiedergegebenen Bilder bedeutend
kleiner als die der Berichtigung des Privatanklägers vom 11.4.1925 beige
gebenen; sie waren
aber auch, wie der vernommene Sachverständige Prof.Bronn, dessen Gutachten sich das Gericht zu Eigen machte, angab, insbe
sondere bezüglich der
Augen, Nase, Mund, Ohren, Haare und Schuhe voll
kommen entstellt
wiedergegeben.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen
Wien I als Berufungs
gericht vom 24.7.1925 Bl. XV 504/25/10 war das erstrichterliche Urteil
in Bezug auf jenen Teil, der die
Verpflichtung auf Veröffentlichung der
verlangten Berichtigung aussprach, bestätigt worden.
Nun erschien in Nummer 714 der „STUNDE“ neuerlich die Berichtigung,
wobei die
Bilder bezüglich der Grösse im
Allgemeinen jenen gleich waren,
die der Berichtigung beigeschlossen waren; die Bilder selbst jedoch
waren,
wie der Sachverständige auch bei diesen feststellte,
vollkommen verschieden
von den
der Berichtigung des Privatanklägers beigegebenen, indem sie durch
Retouchierung, nicht aber – wie
der Machthaber des Besch. angab – infolge
des Rotationsdruckverfahrens
gänzlich entstellt waren und zwar ebenfalls be
züglich der Haare,
Augen, Nase, Ohren und auch der Schuhe. Der Machthaber
desBesch. hat ferner selbst zugegeben, daß die in Nummer 714 wiedergegebenen
Bilder nur durch Vergrösserung der in der Nummer 642 veröffentlichten Bilder,
nicht aber nach den der Berichtigung beigegebenen Originalbildern angefer
tigt worden sind.
Fest steht somit auf Grund des
Gutachtens des Sachverständigen
Prof. Bronn, dass eine
gewollte Entstellung der Bilder durch manuelle
Retouche, nicht aber durch das
Rotationsdruckverfahren erfolgte, dass
daher die veröffentlichte Berichtigung nicht den Bestimmungen des
§ 23Preß-Gesetz
entspricht.
Wie, wo und wann die
Entstellungen entstanden sind kann daher außer
Betracht bleiben; ebenso die
Einwendung des Machthabers des Beschuldigten,
dass die Wiedergabe der Bilder
infolge Verlustes der Originalberichtigung
nur
durch Vergrößerung der in Nummer 642
veröffentlichten Bilder möglich
war, denn der verantwortliche Schriftleiter hätte den Verlust der Originalberichtigung hintanhalten oder sich ein neues Originalbild verschaffen
müssen.
Da somit die verlangte Berichtigung nicht in der gesetzlich vorge
schriebenen Weise
veröffentlicht und dem hg. Urteil vom 25.4.1925 nicht ent
sprochen worden war,
so begründet das Erscheinenlassen jeder weiteren Nummer
der Stunde vor Erfüllung der Verpflichtung eine strafbare Uebertretung im
Sinne des
§ 24 Abs. 6 Preß-Gesetz.
Gemäß § 44 Preß-Gesetz tritt jeder spätere verantwortliche Schrift
leiter in die
Verpflichtung seines Vorgängers ein. Auf Grund der Impressa
und der Angaben des Machthabers ist festgestellt, dass Ernst Elly der
verantwortliche Schriftleiter der
in der Zeit vom 14.8.1925 bis 21.8.1925
erschienenen Nummern 729 bis 734
der Zeitung „DIE STUNDE“ war; da er
diese
Nummern erscheinen ließ,
ohne dass die gerichtlich aufgetragene Verpflichtung
erfüllt worden wäre, so erscheint
dessen Schuldspruch gerechtfertigt.
Gemäß § 5 Preß-Gesetz war für jede vor Erfüllung der Verpflichtung
erschienene Nummer eine besondere
Strafe zu verhängen.
Bei der Strafbemessung war
NICHTS ERSCHWEREND; MILDERND waren die
Unbescholtenheit und das
Geständnis, weshalb vom ausserordentlichen Milderungs
rechte des § 266 StG. Gebrauch gemacht wurde.
Die verhängte Strafe war daher
dem Verschulden des Angeklagten an
gemessen.
Die übrigen Bestimmungen des Urteiles gründen
sich auf die im
Tenor bezogenen
Gesetzesstellen.
Lasten einbringlich
Wien, am 7. Oktober 1925.
Der Richter Der Schriftführer
Höflmayer mp Dr.
Jung mp
Wien, am 12/10 1925
[Unterschrift]