Abschrift.
U I
223/25
6
Strafbezirksgericht I in Wien am 7.X.1925 Bginn: 12 Uhr
B.
auf Durchführung
der Verhandlung gemäss § 459 St.P.O.
Der Richter wiederholt die Ergebnisse des bis
herigen Verfahrens gemäss
§ 276a St.P.O.
Machthaber legt vor : Das Bild Beil.
./1, ferner die Kli
schees Beil ./2, ./3, ./4, ./5, ./6, ./7.
Zeuge
Ludwig Hoffenreich , 23 J., Wien geb., r.k., 1.
Bilderredakteur der „Stunde“, XVIII. Sautergasse 56 wh.
gibt nach W.Er. und
Handschlag an:
Ich kann nur über das
Zustandekommen der in No.714 der „Stunde“ wiedergegebenen Bilder aussagen, da
ich früher nicht bei der
„Stunde“ in Stellung war.
Mir wurde das Bild Beilage
./1 in retouchiertem
Zustande
von der im 1. Stock befindlichen Redaktion
in
mein Büro im 4. Stock
geschickt mit dem Auftrag dieses
Bild auf die Grösse des in
No. 610 wiedergegebenen Bildes
nämlich auf 10 × 15 cm
klischieren zu lassen, ein Auf
trag das Bild zu entstellen,
ist mir nie zugekommen;
der
Auftrag war in dem dem Bilde angehefteten Zettel ent
halten.
Ich gab das Bild mit dem
angebrachten Klischier
auftrag unverändert an die Fa. Straniak, Hofbauer & CoKlischierindustrie
Ges.m.b.H. weiter.
Dort wurde das Bild
retouchiert, die gen. Firma
hat nämlich den ganz
allgemein gehaltenen generellen Auf
trag, alle Bilder so zu
retouchieren, das diese deutlich
und somit klischierfähig
werden; auch Mund und Augen
sind zu retouchieren.
Das fertige Klischee wurde
von Frl. Luzzi Binder
übernommen und das Bild dann
in dem für dasselbe schon
tagszuvor reservierten Raum
eingeschaltet.
Einen besonderen Auftrag,
wie die Retouche vorzu
nehmen sei, hat Straniak nicht erhalten, insbesonders
erging kein Auftrag, das
Bild irgendwie zu verunstalten;
ich habe mit Straniak darüber überhaupt nicht gesprochen.
Auch von mir wurde keinerlei
Änderung an dem von
der Redaktion mir übersandten Bilde oder am
Klischee vor
genommen.
Zg.
Emmerich Bekessy, 37 J., Bdpst. geb., evang.H.B.,
vh., Herausgeber der „Stunde“ VI.
Linke Wienzeile 88
gibt nach W.Er. und
Handschlag an:
Das in No. 610 der „Stunde“ wiedergegebene Bild
ist mit meinem Wissen und Einverständnis wiedergegeben.
Die der Redaktion seinerzeit zugekommene Berichtigung des P.A. vom 11.4.1925 war, als es zur Reproduk
tion der Bilder in No. 714 der „Stunde“ kommen sollte,
nicht mehr vorhanden.
Da wir keine Veranlassung
hatten, das Buch des PA,
in dem das berichtigende
Bild wiedergegeben war, zum
Zwecke der Berichtigungsveröffentlichung anzuschaffen,
wir vielmehr der Ansicht
waren und sind, dass die in No.642 wiedergegebenen
Bilder zwecks Veröffentlichung
der
Berichtigung soweit zu vergrössern, bis sie jenen des
Berichtigungsschreibens gleich sind.
Die in No. 642 wiedergegebenen Bilder konnten des
halb nicht entstellt werden,
weil dies mit Rücksicht auf
das zu U I 109/25 ergangene Urteil I. Instanz nur mit meiner
Einwilligung hätte geschehen
können und ich niemals diese
erteilt habe; wer den Auftrag zur Wiedergabe der Bilder
in No 642 erteilt hat, weiss ich
jedoch nicht.
Bezgl. der in No. 714 wiedergegebenen Bilder aber
erging von mir persönlich
der Auftrag die in No 642 ver-
öffentlichten Bilder ohne weitere Retouche, die
nicht
unbedingt zum
technischen Verfahren notwendig ist, zu
vergrössern und zu
klischieren. Der Ausdruck „ohne wei
tere
Retouche“ bezog sich auf das zugegebenermassen ka
rikierte
berichtigte Bild.
Zg.
Anton Straniak 38 Jahre, Wien geboren, r.k., vh.,
verantwortlicher
Geschäftsleiter der KlischierindustrieGes.m.b.H.
III. Gestettengasse 4a wh., gibt nach W.Er.
und Handschlag an:
Das Klischee für das in No 610 wiedergegebene
Bild (Beil ./2, ./3) stammt nicht von uns.
Die Klischees für die
übrigen Bilder stammen
von
unserer Anstalt.
Wie die Bilder ausgesehen
haben, nach denen
die
Klischees angefertigt wurden, erinnere ich mich nicht.
Es kommt auch vor, dass ich
bereits retouchierte Bilder
zur Klischierung erhalte, doch ist das nur ausnahmsweise.
Ich habe jedenfalls niemals
Entstellungen oder Karikie
rungen von Bildern vorgenommen und auch nie einen der
artigen Auftrag erhalten.
Das Bild ./1 erhielt ich, so
wie alle Bilder,
mit einem
den Auftrag enthaltenden Anhängezettel; die
auf dem Bild sichtbare
Retouche stammt von mir; eine
derartige Retouche muss bei jedem Bilde vorgenommen werden,
um ein für den
Rotationsdruck entsprechendes Klischee
zu erhalten; eine
Veränderung des Bildausdrucks tritt
dh. eine derartige Retouche
nicht ein, insbesonders bezieht
sich nämlich die Retouche
nicht auf Ohren, Augen und
Mund.
Die Verkleinerung der in No 714 wiedergegebenen
Bilder um einige mm gegenüber der in No 610 ersichtlichen
Bildgrösse ist im Eingehen
der Matrize begründet.
Zg.
Franz Dechant, 34 J., Blatt in N.Ö. geboren, vh.
Metteur der Joh. Vernay A.G.
XVI. Thaliastrasse 107
gibt nach W.Er. und
Handschlag an:
Von dem Augenblick an, da
ich eines der gegen
ständlichen Klischees erhielt wurde keine Veränderung
mehr an denselben
vorgenommen. Ich habe immer allein die
Bilder matriziert.
Sachverst. Karl Broum 40 J., Wien geb., r.k., vh., Pro
fessor der graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien.
VII. Kaiserstrasse 64 wh., gibt nach Erinnerung an den
abgelegten Diensteid an:
Die in No 642 der „Stunde“ wiedergegebenen
Bilder sind gegenüber den der Berichtigung beigeschlossenen
Bildern, abgesehen von der
Verkleinerung, gewaltig ver
ändert. Diese Veränderungen
beziehen sich auf Haare,
Augen, Ohren und Schuhe und sind derart, dass die Hand
arbeit das ursprüngliche
Bild fast ganz verdeckt. Diese
Veränderung wurde durch Retouche vorgenommen und es ist
ausgeschlossen, dass
dieselben durch das Rotationsdruck
verfahren hervorgerufen sein
können. Die in No 714 der
„Stunde“ wiedergegebenen Bilder sind gegenüber den
der Berichtigung beigeschlossenen Bildern ebenfalls
durch Retouche stark
entstellt, was insbesondere aus
der Stellung der Augen, dem
Mund, den Ohren und den
Haaren erkennbar ist; diese Veränderungen sind nicht
durch das
Rotationsdruckverfahren entstanden, sondern
durch manuelle Arbeit.
Der Beschuldigte hätte diese Veränderung auch
am Klischee bemerken können,
vor die Bilder in der Zeitung erschienen
sind, da den fertigen Klischees von der
Klischieranstalt Probedrucke beigegeben werden oder
bei
gegeben
werden können. Wenn der Beschuldigte diese Ver-
änderung bei
Ablieferung der Klischees wahrgenommen
hätte und die Klischees
zurückgewiesen hätte, so wäre
eine Änderung der Klischees vor Erscheinen der nächsten
Nummer allerdings nicht mehr
durchführbar gewesen.
Die in No 714 wiedergegebenen Bilder sind jedoch
keine direkten
Vergrösserungen der Bilder aus No 642 der
„Stunde“, das geht aus folgendem hervor:
Die Bilder in No 642 sind Autotipien; solche können
nur dadurch klischiert
werden, indem man der Rasterstruk
tur eine andere Lage gibt;
diese fehlt aber bei den Bildern in
No 714, woraus hervorgeht, dass
letztere nicht
nach den Bildern aus No 642 hergestellt wurden.
Auch das Bild ./1 ist nicht
auf Grund der Bilder
in No 642 direkt hergestellt worden, denn man
musste
in einem solchen
Falle auf Bild Beil. ./1 die Raster
struktur der Bilder in No 642 sehen, was jedoch nicht
der Fall ist, das Bild Beil.
./1 ist vielmehr durch
eine
Zwischenaufnahme entstanden.
Die in No. 642 wiedergegebenen Bilder waren,
wie schon früher dargelegt,
durch Retouche stark entstellt.
Wenn nun nach diesen Bildern eine Fotographie, eine so
genannte
Zwischenaufnahme, aufgenommen worden wäre, so
ist es doch unmöglich durch
retouchieren dieser Zwischen
aufnahme das ursprüngliche
unretouchierte Originalbild,
wie das Berichtigungsbeilage zu erhalten.
Machthaber des Beschuldigten gibt an:
Als das Urteil vom 25.4.1925 (U I 109/25/3)
und jenes vom 24.7.1925 (Bl XV 504/25) erfloss,
war die vom P.A. eingesendete Original-Berichtigung nicht mehr
vorhanden, sondern nur das Klischee zu dem in No 610
wiedergegebenen
retouchierten Bild. Zwecks
gesetzmässiger
Veröffentlichung der verlangten Berichtigung
und daher
ein Klischee für das
entstellte Bild und durch Abwaschen
der Retouche das
Originalbild-Klischee hergestellt, mehr
konnte ich nicht tun. Eine
Zwischenaufnahme wurde nicht
gemacht.
Beantragt wird die
neuerliche Vernehmung der Zg. Straniak,
Hoffenreich und Bekessy
über die angebliche Entstehung
der Zwischenaufnahme, ferner die Vernehmung des techni
schen Direktors der Vernay A.G. Herrn Karl Horn als Sach
verständigen über dasselbe
Thema wie der Sachverständige
Broum vernommen wurde.
Zg.
Straniak gibt forts. Weise
vernommen an: Eine Zwischen
aufnahme wurde in unserer
Anstalt nicht gemacht.
Zg.
Hoffenreich:
Das Bild Beilage ./1 erhielt
ich als Originalfotographie
von der Redaktion und gab es unverändert
weiter.
Zg.
Bekessy :
Ich weiss nur wie die Bilder der No. 714 entstanden sind,
von den früheren Bildern
weiss ich das nicht.
Der Richter verkündet den
B.
auf Ablehnung
aller übrigen noch unerledigten Beweisan
träge wegen Unerheblichkeit.
Schluss des
Beweisverfahrens.
P.A. Vertreter
beantragt die Bestrafung des Beschuldigten.
Machthaber des Beschuldigten: beantragt den Freispruch
des Beschuldigten.
Der Richter verkündet das
Urteil
samt
Gründen.
P.A. Vertreter und Machthaber
des Beschuldigten erklären,
sich Bedenkzeit zur
Ergreifung eines Rechtsmittels offen
zu halten.
Die Beilage ./2 und ./3 wird
vom Beschuldigten
übernommen, da dieser
dieselben zur nunmehrigen aber
maligen Veröffentlichung benötigt. Dr. Kaufmann wird
diese 2 Beilagen ehestens rückstatten.
Ende 2 Uhr Dauer 4 halbe
Stunden
Verhandlungsgebühr 12 S )
)
v. P.A.
Urteilsgebühr … 5.– )
Sachverständiger beansprucht 10.– S Sachverständigen
gebühr, die in dieser Höhe
bestimmt wird.