Der „Affe Zarathustras“ vor dem Bezirksgericht. Zwei Ehrenbeleidigungsklagen Karl Krausens gegen Anton KuhDie Stunde, 20.1.1926Die StundePreisausschreibenDie FackelDie Stunde, 11.10.1925


Abschrift.
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G.Z. U I 286/25
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Öffentliche Hauptverhandlung


Strafbezirksgericht I in Wien am 21. Jänner 1926
Beginn 11 1/4 Uhr
Richter Hofrat Dr. Höflmayr Schriftführer Hilfsrichter Dr.Jung.
Privatankläger: Karl Kraus nicht ersch. seinen Vertreter
Dr. Oskar Samek o.V. v
Angeklagter: 1. Anton Kuh pers. Verteidiger des 1. Besch. Kuh
Dr. Friedrich Schnepp oV. v.
2. Dr. Fritz Kaufmann pers. 17–I. 1926
Anton Kuh, geb. am 12.VII.1890 in Wien, dh. zuständig,
mos., led., Schriftsteller, III. Beatrixgasse Hotel Beatrix
wohnhft., Eltern: Emil und Auguste, unbescholten.
Dr. Fritz Kaufmann , geb. am 16.VIII.1896 in Wien, dh. zu
ständig, kfls., vh., verantw. Schriftleiter der „Stunde“,
VIII. Piaristengasse 56, verh., mehrfach wegen Pressdelikten
vorbestraft.
P.A. Vertreter: inkriminiert wird das in der Nummer 778
und 858 der „Stunde“ mit Bezug auf den P.A. vorkommende
Wort „ Vortragsaffe“.
Besch. Anton Kuh: Den in Nummer 778 der „Stunde“ vom
11.X.1925 enthaltenen Aufsatz mit der Überschrift
Preisausschreiben“ habe ich verfasst.
Bezüglich der Urheberschaft des in No. 858 der „Stunde
vom 20.I.1926 veröffentlichten Aufsatzes mit der Über
schrift „Der Affe Zarathustras vor dem Bezirksgericht
verweigere ich die Auskunft.
Besch. Dr. Fritz Kaufmann: Ich war der verantwortliche
Schriftleiter der Nummern 778 vom 11.X.1925 und 858
vom 20.I.1926 der „Stunde“.


Den in No. 778, der „Stunde“ vom 11.X.1925 er-
schienen Aufsatz mit der Überschrift „Preisausschreiben
habe ich vor Drucklegung nicht gelesen und ich habe ihn
auch nicht in Kenntnis seines Inhaltes zum Drucke beför
dert, denn Herr Kuh hatte mich vorher verständigt, dass der
Aufsatz von ihm persönlich gezeichnet und dass darin niemand
persönlich angegriffen wird.


Den in No. 858 der „Stunde“ vom 20.I.1926
erschienen Aufsatz mit der Überschrift „Der Affe Zarathustras vor dem Bezirksgericht“ habe ich nicht verfasst;
ich habe aber diesen Aufsatz vor Drucklegung gelesen und
ihn in Kenntnis seines Inhaltes zum Drucke befördert, denn
er war mir, wie ich mich erinnere, eigens vorgelegt worden.
Verlesen werden: Der Aufsatz mit der Überschrift „Preisausschreiben“ aus No. 778 der „Stunde“ vom 11.X.1925,
der Aufsatz „Der Affe Zarathustras vor dem Bezirksgericht
aus No. 858 der „Stunde“ vom 20.I.1926, sowie das Im
pressum der beiden genannten Zeitungsnummern.
Besch. Anton Kuh: Ich habe mit dem Ausdrucke „Vortragsaffe“
nicht den P.A. gemeint. Ich bin zu dieser Erklärung des
halb genötigt, weil P.A. mir durch Erhebung der Anklage nach
§ 496 St.G. die Möglichkeit genommen hat, den Wahrheits
beweis darüber zu führen.
P.A. Vertreter erklärt, die Anklage auf die eben gefallene
Äusserung des Beschuldigten Anton Kuh auszudehnen, da diese
Erklärung eine neuerliche Schmähung des P.A. beinhalte.
Besch. Anton Kuh. Ich wollte durch meine Erklärung nur be
gründen, meinen mir der Wahrheitsbeweis, sei es für das
Wort „Vortragsaffe“ sei es für welches Wort immer, durch
die Art der Privatanklage unmöglich gemacht wurde.
P.A. Vertreter legt zum Beweise dafür, dass der P.A. es
war, der den Ausdruck „Cowboy“ gebrauchte, die No.
697–700–705 vom Oktober 1925 der Zeitschrift „DieFackel“ vor und verweist auf Seite 148, 3. Zeile von
oben.
Verlesen wird aus No. 697–700–705 der Zeitschrift
Die Fackel“ vom Oktober 1925 die auf Seite 148 befind
liche 3. Zeile von oben, in der das Wort „Cowboys“ vorkommt.
Verteidiger des Besch. Kuh beantragt die Abtretung des
Aktes an das Landes- als Geschworenengericht, da der in
kriminierte Aufsatz nicht die Übertretung nach § 496St.G., sondern gegebenenfalls das durch die Presse begange
ne Vergehen nach § 491, 493 St.G. begründen; denn das Wort
„Vortragsaffe“ beinhaltet eine Qualifikation der Tätigkeit
des Vortragenden.
Besch. Anton Kuh: Durch den Ausdruck „Vortragsaffe“
sollten die Funktionen als Vortragender bei einer bestimmten
Persönlichkeit ausgedrückt werden, insbes. dessen spezielle
Art des Vortrages (die Hast mit der er sich in Vorträge
stürzt, das Sich-rufen-lassen, die Verbeugungen, kurz die
Akrobatik des Genusses mit der jene Persönlichkeit den Bei
fall aufnimmt) qualifiziert werden.
P.A. Vertreter: spricht sich gegen die Abtretung des Aktes
an das Landes- als Geschworenengericht aus, da es sich
beim Worte „Vortragsaffe“ um eine Beschimpfung, somit
um eine Übertretung nach § 496 St.G. handelt.


Der Richter verkündet das
Urteil
gemäss § 261 St.P.O.
samt Gründen.
P.A. meldet gegen das Urteil die Berufung an und ersucht
um Zustellung einer Urteilsausfertigung.
1. und 2. Beschuldigter geben keine Erklärung ab.


Ende 12 Uhr
geb. pfl. Verhandlg. Dauer 2 halbe St.
Der Richter: Der Schriftführer:
Dr. Höflmayr m.p. Dr. Jung. m.p.