Die Stunde, 30.10.1925Die StundeDie Stunde, 31.10.1925Karl Kraus, der Kämpfer [31.10.1925]Karl Kraus, der Kämpfer [30.10.1925]


G.Z. U I 14/26 15
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Öffentliche Hauptverhandlung.


Strafbezirksgericht I in Wien, am 28.I.1926 Beginn 12 Uhr
Gegenwärtig:
Richter: Hofrat Höflmayr Schriftführer: Hi.R. Dr. Jung
Privatankläger: Karl Kraus nicht erschienen
Sein Vertreter: Dr. Oskar Samek
o.V.


Angeklagter: Dr. Fritz Kaufmann pers.


Die Anklage wird vorgetragen. Der Angeklagte
gibt über seine persönlichen Verhältnisse und die Anklage
an:


Dr. Fritz Kaufmann , geb. am 16.8.1896 in Wien,
dh. zuständig, kfls., verh., verantwortlicher Schriftleiter
der „Stunde“, VIII. Piaristengasse 56 wh., Eltern: Dr.Felix und Vilma, Gattin: Helene, mehrfach wegen Pressde
likten vorbestraft.


Den in No. 794 der „Stunde“ vom 30.X.1925
veröffentlichten Aufsatz mit der Überschrift „Karl Kraus,der Kämpfer“ habe ich weder verfasst, noch vor Druckle
gung gelesen oder ihn in Kenntnis seines Inhaltes zum
Drucke befördert. Dieser Ansatz beruht nämlich auf einem
in letzter Stunde vor dem Erscheinen des Blattes einge
langten Telegramm unseres Budapester Korrespondenten und
wurde diese Nachricht sofort direkt eingeschaltet.


Auch den zweiten unter derselben Überschrifterschienen Aufsatz in No. 795 der „Stunde“ vom 31.X.
1925 habe ich weder verfasst, noch vor Drucklegung gelesen
oder ihn in Kenntnis seines Inhaltes zum Drucke befördert.


Ich war der verantwortliche Schriftleiter der
No. 794 und 795 der „Stunde“ vom J. 1925.


Verlesen werden die Aufsätze mit der Über
schrift „Karl Kraus, der Kämpfer“, aus No. 794 vom 30.
X.1925 und aus No. 795 vom 31.X.1925 der „Stunde
sowie das Impressum dieser beiden Zeitungsnummern.


Besch.: Bezgl. des R.A. Dr. Miksa Rosenberg
beruht die in No. 794 der „Stunde“ veröffentlichte Mit
teilung insoferne auf Richtigkeit, als nicht dieser
sondern dessen Substitut beim Budapester Strafgerichte
in dem mitgeteilten Sinne intervenierte, wobei er mit der
auf Dr. Rosenberg lautenden Vollmacht des P.A. erschien.
Dr. Miksa Rosenberg erschien am Tage unserer ersten Veröffentlichung in unserer Redaktion und ersuchte mit aufge
hobenen Armen um eine Richtigstellung, um seinen Ruf in
Bpest. nicht vollkommen zu zerstören, da seine tatsächlich
erfolgte Disziplinierung schon in Vergessenheit geraten
sei. Hierauf veröffentlichten wir in No. 795 nur dem Dr.
M. Rosenberg zu Liebe eine Richtigstellung.


Im erstinkriminierten Aufsatze wurde aber
nicht behauptet, dass Karl Kraus dem Dr. M. Rosenberg
Vollmacht wirklich gegeben und zur Bestechung ange
stiftet habe.


Zur Erbringung des Wahrheitsbeweises für die
inkriminierten Aufsätze beantrage ich die Vernehmung
des Dr. Miksa Rosenberg, Bpest., Rakoczistrasse 70 und
des Geza Békefy, Bpest, Bankstrasse 5 als Zg. zu vernehmen
und zw. insbes. auch darüber wer den Auftrag zur Akten
einsicht gegeben und wer an dieser ein Interesse habe.


Weiters wird beantragt von der Oberstadthaupt
mannschaft Bpest. die Leumundsnote und Strafkarte des
Dr. Miksa Rosenberg einzuholen.


Ferner beantrage ich Anfrage an die Staatsanwaltschaft, an das Landesgericht und an die Stadthauptmannschaft Bpest. darüber, ob einem dieser Ämter
etwas bekannt ist, dass jemand auf unlauterem Wege ver
suchte gegen Emmerich Bekessy lautende Akten in die
Hände zu bekommen, insbes. ob diesbezgl. eine Anzeige
erstattet oder eine strafgerichtliche Aktion eingeleitet
wurde und ob bekannt ist, dass diese Aktenbeschaffung
im Auftrage des P.A. erfolgte.


P.A.-Vertreter beantragt die Abweisung des
Antrages auf Vernehmung der Zg. Bekessy und Rosenberg
und auf Beischaffung von Strafkarte und Leumundsnote
des letzteren wegen Unerheblichkeit, schliesst sich aber
dem Antrage auf die vom Besch. beantragte Anfrage an
ung. Behörden an.


Der Richter verkündet den
B.
auf Zulassung des angebotenen Wahrheitsbeweises und
auf Vertagung der Verhandlung zur Vernehmung der Zg.
Bekessy und Rosenberg dh. das Strafbezirksgericht Bpest.
über die beantragten Umstände und auf Anfrage an die
Staatsanwaltschaft, des Landesgerichtes und die Stadthauptmannschaft in Budapest über die beantragten Umstän
de.


Ende 12 1/4 Uhr
geb. pfl. Verhandlgs. Dauer: ½ Std.
Verhandlg. Geb. 1 S (v. P.A.).


Der Richter: Der Schriftführer:
Höflmayr m.p. Dr. Jung m.p.