U XII 71/26
An das
Strafbezirksgericht IWien.
Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller, Wien III. HintereZollamtsstrasse
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durch:
Vollmacht ausgewiesen zu U I
109/25
Ernst Ely, Redakteur der „Stunde“ Wien IV.Kühnplatz 4
wegen § 45 Abs. 4 Ur.Ges. 1 fach
Privatanklage
In der Nr. 827 des dritten Jahrganges der „Stunde“
vom 10. Dezember 1925, Seite 5
und 6, erschien ein Artikel
unter
dem Titel „Dem Kiebitz ist nichts zu teuer
oder KarlKraus denunziert schon
wieder die Sozialdemokraten“. In diesem
Artikel ist ein Brief vom 10.
Juni 1900 voll abgedruckt, den
ich Herrn Wilhelm Liebknecht geschrieben habe.
Wegen der durch
diesen Abdruck
begangenen Uebertretung des § 45 Abs. 4 desUrheberrechtsgesetzes, habe ich am 19. Jänner 1926 um Einleitung
von Voruntersuchungen gegen Dr.
Marc Siegelberg und weitere un
bekannte Täter
gebeten. Die Durchführung der Voruntersuchungen
liess nur die Anklage gegen Dr. Marc Siegelberg zu, da
die An
haltspunkte
gegen weitere Täter, insbes. gegen den heutigen Be
schuldigten, Ernst Ely, zu dürftig waren, obwohl der Zeuge
Karl Tschuppik die Vermutung
aufgestellt hat, dass der Artikel
dem Stile nach von dem Redakteur
Ernst Ely
herrühren dürfte.
Ich habe nun in
Erfahrung gebracht, dass der Beschuldigte ErnstEly sich schon vor
Veröffentlichung des Artikels,
gegenüber
einer Dame, Frau Gina Kaus, Schriftstellerin, Wien Hyegasse 3
geäussert hat, er besitze einen
von mir geschriebenen Brief an
einen sozialistischen Politiker, welcher für mich schwer kom
promittierend sei und
den er veröffentlichen werde. Durch diese
ergänzende Indiz ist die Schuld
des Redakteurs Ernst
Ely an
der
Veröffentlichung wohl unzweifelhaft erwiesen.
Ich beantrage daher
1.) diese Strafsache mit der
gegen Dr. Marc Siegelberg zu ver
einigen.
2.) gegen Ernst Ely eine Hauptverhandlung
anzuberaumen und zu
derselben zu
laden,
3.) Ladung der Frau Gina Kaus, Wien III.
Hyegasse 3 als
Zeugin,
4.) Verlesung der Zeugenaussage
Karl Tschuppik
aus den Ver
nehmungsprotokollen G.Zl. U XII 71/26/2
5.) Verlesung des inkriminierten
Briefes,
6.) Verurteilung wegen § 45 Abs. 4 des Urheberrechtsgesetzes.