U XII
1761/26/9
BESCHLUSS.
Strafsache gegen Ernst ELY
wegen Übertretung nach § 45.Absatz 4
Urh.Ges.
Das gegen Ernst ELY, auf Grund des vom
P.A. Karl
Kraus
gestellten
Strafantrages anhängig gemachte Strafverfahren we
gen Übertretung
nach § 45 Abs. 4 Urh.Ges. wird gemäß
– § 46 St.P.O. (§ 531 St.G.)
eingestellt.
Gemäß § 390/ St.P.O. werden die Kosten des Strafverfah
rens dem P.A. auferlegt.
GRÜNDE.
Der P.A. verfolgte eine nach § 45, Abs. 4 Urh.G.
unter Anklage gestellte Handlung des Beschuldigten, die am
10/12 1925 gesetzt wurde.
Der Strafantrag wurde am 16/11 1926
hg. gestellt. Die erste
Verfolgungshandlung gegen den Besch.
Ernst Ely geschah am 4/12
1926. Auf die Übertretung des § 45Urh.G. war
gem. der zit. Gesetzesstelle vor Inkrafttreten
der Strafgesetznovelle ex 1926 (B.G.Bl. Nr. 192) ein Straf
satz in der
Höchstgrenze von 300 S gesetzt. Entsprechend der
damaligen Fassung des § 532 St.G. betrug die Verjährungsfrist
daher 1 Jahr. Im Hinblick
aber auf die durch die zit. Novelle
gleichfalls geänderte Fassung des § 532 St.G. beträgt nun
mehr die
Verjährungsfrist die auf die fragliche Übertretung
gesetzte Höchststrafe auf
2500 S erhöht wurde, nur mehr 6
Monate. Es ist daher
Verjährung der bezüglichen Straftat ein
getreten, falls
man mit dem Gericht aus den unten zu
entwick
elnden
Gründen der zit. Strafgesetznovelle auch hinsichtlich
der Bestimmungen über die
Verjährung rückwirkende Kraft zu
erkennt.
Umstände, die die Verjährung
unterbrechen, liegen nicht
vor. Insbesondere ist gegen den Beschuldigten dermalen
nur
mehr das
Strafverfahren zur hg. Zl. U I 16/26 anhängig, welche
Strafsache am 21/1
1926 hg. angefallen ist, daher eine vor
diesem Zeitpunkte begangene
Straftat betrifft. Auch wenn
darin Urteilsmäßig ein straffälliges Verhalten des Beschuldigten
festgestellt werden sollte, so kann dieses Faktum das
Eintreten der Verjährung
nicht hindern, da vom 21/1 1926
bis zum 4/12 1926 wieder
mehr als 6 Monate verstrichen sind
(Entscheidung des O.G.HI/6)
–. Dass aber die Bestimmungen
der oben erwähnten Strafgesetznovelle auch hinsichtlich der
Verjährungsfrist auf vor dem 1/9 1926 begangene Handlungen
zurückwirken, ergibt sich
aus folgenden Erwägungen:
Wenngleich im Art. IX der zit. Strafgesetznovelle
nur den im Art. I enthaltenen Bestimmungen ausdrücklich rück
wirkende Kraft
zugesprochen wird, so kann doch nicht etwa
arg. a contr. die rückwirkende
Bestimmung der Novelle dann
verneint
werden, wenn diese Rückwirkung sich aus anderen
Gesetzesbestimmungen ergibt.
Dies trifft aber hier zu. Gem.
Art. IX Kundmachungspatent zum St.G. ist eine allgemeine
Rückwirkung strafgesetzlicher
Bestimmungen auf vorher began
gene Handlungen dann außer Frage, wenn die neuen Bestimmungen
den Täter günstiger stellen. Auch folgende praktische Erwä
gung läßt die
Richtigkeit des hier ausgesprochenen erkennen:
Würde man die Rückwirkung
der Verjährungsbestimmungen
verneinen, so würde der Fall eintreten, dass eine mit der
Strafe des § 45 Urh.G. belegte Handlung, die am 30/8 1926
gesetzt ist, noch am 29/VIII
des nächsten Jahres verfolgt
werden kann, während eine am 1/9 begangene Handlung bereits am
2/3 des nächsten Jahres
nicht mehr verfolgbar wäre, was ge
wiß nicht die
Absicht des Gesetzes sein kann. Es war daher
das anhängig gemachte
Verfahren gem. § 46 St.P.O. (531 St.G.)
einzustellen. Da es sich um eine strafprozessuale
Beendigungs
art eines Strafverfahrens handelt, war die Kostenentscheidung
gem. § 390 St.P.O. zu treffen.
Strafbezirksgericht I. in Wien.
Wien, am 4/7 1927.
Dr. Fryda
[Unterschrift]