Nach den Erfahrungen, welche
ich mit der „Stunde“ gemacht habe, die
durch
jeden Versuch einer
gesetzlichen Berichtigung nur ermuntert wird, die
Methode bewusster
Wahrheitswidrigkeit in Wort und Bild mit umso grösserem
Behagen fortzusetzen, muss
ich es ablehnen, mit ihr auch nur unter Beru
fung auf das Gesetz zu
verkehren. Da aber mein Klient Karl Kraus begreif
licher Weise Wert darauf
legt, dass die Oeffentlichkeit, die Gedrucktes
schon darum glaubt, weil sie
sich ein solches Mass von Tücke zu vorsätz
licher Irreführung gar nicht
vorstellen könnte, so schnell als möglich
vom Sachverhalt unterrichtet
werde, ersuche ich Sie, ihn ihr bekanntzugeben
und damit nach Möglichkeit
den Bübereien entgegenzuwirken, mit denen sich
das Blatt jetzt fast an jedem Tag für die ihm widerfahrene
Stigmatisierung
schadlos
zu halten sucht, indem es jede Gelegenheit, durch eine Befassung
mit Karl Kraus
Interesse zu erregen, nicht nur aufgreift, sondern auch
durch glatte Erfindung von
Tatsachen herbeiführt. Von all den Unwahr
schein
haftig
keiten, die ihm die gegebene Materie des Berichtigungsprozesses bis
lich
zur abermaligen Entstellung
der Bilder ermöglicht hat, sei hier nur die
Tatsache erwähnt, dass die
„Stunde“ nicht davor zurückgescheut
hat, dem
Wort des Richters, mit dem er eine ungehörige Bemerkung
des Ankeklagten
über Karl Kraus
zurückwies, eine Fassung zu geben, die ihm fast den Sinn
einer Zustimmung abnehmen
liess. Solchen Verdrehungen an Ort und Stelle
durch eine Berichtigung
beizukommen, ist gegenüber einem Blatt nicht
möglich, das (während es die Liste der künstlerischen
Mai-Feiern ver
jetzt die fol
öffentlicht, um die an erster Stelle stehende herauszufälschen)
gende Erfindung
fruktifiziert. Es hatte schon vor einem Jahr den Witz
ersonnen, dass ein Herr
„Karl
Kraus, Sprechlehrer und Freidramaturg“ sich
in einer Zuschrift an die „Stunde“ dagegen verwahrt habe, mit Karl Kraus
identisch zu sein. Kürzlich
hat sie den Mann, der nunmehr „Krause“
heiss
en
t
soll und sein Domizil gewechselt hat, den
Scherz wiederholen lassen, weil
es doch offenbar eine immer
grössere Unehre wird, mit Karl Kraus verwech
selt zu werden und weil dem
angeblichen Herrn Krause diese Pein immer von
neuem widerfährt. Nachdem
dies geschehen war, brachte sie die folgende
Notiz:
Man kann der „Stunde“ das Widerstreben, Karl Kraus
Reklame zu machen,
annähernd
so stark nachfühlen wie der Blattlaus den Protest dagegen,
dass der Baum aus ihr
Nahrung ziehe. Und man wird die Aufrichtigkeit der
Versicherung, dass die „Stunde“ nur ungern die Zuschrift des Herrn Krause,
gedruckt habe, an der
folgenden Feststellung ermessen. Es ist unwahr, dass
Karl Kraus
diesen Herrn Krause in seiner Ehre herabgesetzt hat. Es ist un
wahr, dass er an dessen
Verwahrung
Zuschrift
die Bemerkung geknüpft hat, ein Jüngel
habe ihm hingegen die Berichtigung gesandt, mit dem
Verleger der „Stunde“ ja identisch
zu sein. Wahr ist, dass es
in jenem Vortrag hiess, dass nicht einmal die
Leser der „Stunde“ so dumm sein dürften zu glauben, dass diese
wirklich von
einem Herrn
Krause um die Bekräftigung seiner Nicht-Identität ersucht wurde.
„Eher würde ich sie
schon davon überzeugen, dass ein Budapester Agent
Bekessy mit einer ziemlich stark belegten Leumundsnote
die Fackel ersucht
hat, festzustellen, dass
er mit dem gleichnamigen Herausgeber der ‚Stunde‘und der ‚Börse‘ identisch
ist.“ Der starke Applaus, der dieser Stelle des
Vortrages folgte, ist auch
Herrn Bekessy zu Ohren gekommen, aber dass
eine
Herabsetzung der
Ehre des Herrn Krause in den Worten ge
borg
leg
en war, hatte er
kaum daraus entnehmen können. Es ist demnach auch vollkommen unwahr, dass
der Herr Krause zwei Herren
zum Schriftsteller Kraus um Aufklärung des
Sach
verhaltes
gesandt hat. Es ist unwahr, dass diesen irgendetwas erwidert wurde,
sei es von einer Anspielung,
einer ungeschickten Formulierung, von Herstel
lung witziger Antithesen
oder von einer Anpassung an die Forderungen des Vor
tragspublikums. Es ist weder
eine gewundene noch eine direkte Erklärung abge
geben worden, ja es ist
nicht einmal ein Hinauswurf der zwei Herren erfolgt,
weil diese zwei Herren eben
bei m
Herrn
Schriftsteller
Kraus überhaupt nicht vorgesprochen
haben. Es ist somit
schliesslich auch unwahr, dass Herr Krause, dem die Er
klärung „naturgemäss“ nicht
genügen konnte, gegen den genannten
Herrn Kraus ge
richtliche Schritte
eingeleitet hat. Es besteht also keine Ehrenaffäre
Kraus – Krause. Da aber einer blödgemachten Leserschaft, die
doch so etwas
glauben musste,
noch mehr zugemutet werden kann, so erschien gleich am näch
sten Tag eine Notiz, in der nach der bekannten Methode, wonach Karl Kraus
„bekanntlich“ mit
seiner Schwester einen Erbschaftsstreit führt, den er
sein Lebtag nicht geführt
hat, ein „Religionslehrer Karl Krauß aus
Pistyan“ um die
Feststellung ersucht, er sei wieder nicht identisch mit
dem Sprechlehrer und
Freidramaturgen Karl Krause, „der mit dem Schrift
steller Karl Kraus
in die bekannte Affäre verwickelt ist“.
Dieser „Affäre“
die in einer
Weise dargestellt wird, dass doch zahlreiche Käufer des
Blattes düpiert werden, da sie ja gar nicht auf die Idee
kommen können,
dass eine
Zeitungsredaktion Zeit und Animo aufbringen werde, sich so etwas
einfach aus den Fingern zu
saugen, wird die widerstrebende „Stunde“
wohl
noch etliche
Wendungen abgewinnen. Es liegt ihr aber, wie ich hiemit fest
stelle, keine einzige andere
wahre Tatsache zugrunde als die, dass
das Blatt nie
mals von einem Herrn Kraus oder Krause und wahrscheinlich auch
nicht von einem
Herrn Krauß
eine Zuschrift erhalten hat und wenn eine, so gewiss eine sol
che, von deren
Zustandekommen die Redaktion der „Stunde“
vorher unterrichtet
war. Die Wahrheit ist, dass nach
polizeilicher Feststellung vom 10. April
ein Karl Krause,
Sprechlehrer und Freidramaturg Wien VIII Florianigasse 7
überhaupt nicht
existiert. Diese Feststellung wird ein Blatt wie die „Stunde“,
dessen System es ist, wie
Karl Kraus
eben in seinem Vortrag ausgeführt hat
die Privatbüberei
unmittelbar in Publizistik umzusetzen, vermutlich nicht
daran hindern, die
Geistesödigkeit dieses Scherzes fortzusetzen, solange er
geschäftlich nicht völlig
unergiebig ist, solange der Name des Betroffenen
jede Konterbande der
Sensation deckt, und vielleicht selbst dann, wenn das
Publikum die Methode der in
eigener Regie gezüchteten Grubenhunde durch
schaut hat. Aber der Fall,
dass Zeitungspapier und Druckerschwärze aus
schliesslich zur
Befriedigung eines bübischen Gelüstes verwendet werden,
nicht
weil
selbst die Erkenntnis der spekulativen Lüge und das damit verbundene
Ekelgefühl die Kundschaft
nicht abhalten kann, so etwas gern zu lesen und
wenn schon nicht ernst zu
nehmen, so doch witzig zu finden. Dieser Fall
dürfte in der Geschichte des
Zeitungswesens wohl nicht seinesgleichen
haben.
In vorzüglicher Hochachtung