Neue Freie PresseDie MusikMusikalische Probleme des FilmsDie JournalistenDie Musik, 17. Jg., H. 5Die Fackel


Abschrift.


Geehrter Herr!


Im Maiheft der „Fackel“ veröffent
lichen Sie folgende Zeilen eines Artikels aus der
grössten deutschen Musikzeitschrift:
„Man hat bei einigen amerikanischen Gesell
schaften Versuche dieser Art Filmmusik ge
macht; es ist vorzüglich eine Aufgabe Deutsch
lands, diese ersten unzulänglichen Proben,
die sich mit den süsslichsten Mitteln begnüg
ten, auszubauen und gemäss dem ernsteren Cha
racter unserer Filme zu vertiefen.“


Da ich ein eifriger Leser der „Musik
bin und diese hervorragende Zeitschrift, die ja so
gar von Ihnen als die grösste anerkannt wurde, – wo
rauf sich B. Schuster allerdings nichts einbilden kann –
beziehe, ist es mir nicht schwer gefallen, festzu
stellen, dass diese Zeilen dem Heft V Jahrgang XVIIder „Musik“ entnommen worden sind, in welchem G. Bagier über „Musikalische Probleme des Films“ spricht.


Dass Sie diesen Artikel nicht verstanden
haben, wundert mich ja garnicht und davon war ich
überzeugt, als ich den Titel las, unter welchem die
oben angeführten Zeilen veröffentlicht waren, denn
für Ihr musikalisches Verständnis ist es egal, ob
Sie die Tannhäuser-Ouverture – sie ist von RichardWagner, Herr Kraus – im Kino oder ob Sie sie unter Fr.Schalk mit den Philharmonikern hören.


Ich will mich deshalb über den Bagier’schen Artikel, um Sie nicht in Verlegenheit zu bringen,
nicht weiter auslassen. Aber eines möchte ich Sie fra
gen: Wem sagen Sie denn das alles, was Sie bisher
in der „Fackel“ und in Ihren übrigen Werken zusammen
geschmiert haben? Ihre Zeitschrift erscheint jetzt
schon solange und trotz der Schimpfereien haben Sie
nicht einmal den Schmierblättern etwas anhaben können,
viel weniger Zeitungen vom Range einer „Neuen FreienPresse“, in der Felix Salten hoffentlich noch lange sei
ne Recensionen schreiben wird, auch wenn Sie darüber
zerspringen sollten, was ich aber nicht wünsche, da
wir sonst zwei von Ihrer Sorte hätten – oder der
Musik“, die auch weiter die führende Musikzeitschrift
bleibt.


Wenn man Ihre Fackel liest, sehr ge
ehrter Herr, denkt man sich unwillkürlich: Schade,
dass Karl Kraus nicht zur Zeit Gustav Freytags gelebt
hat, er hätte eine hervorragende Vorlage für den
„Schmock“ in seinen „Journalisten“ gehabt. Macht
nichts: Ihnen ist ja von anderer Seite ein herrliches
Denkmal gesetzt worden. Sie besser zu charakterisieren,
als es Herr Slezak, den ich wegen seiner
wunderschönen Tenorstimme, Herr Kraus – gerade
wegen der Tenorstimme – sehr verehre, getan hat, ist
schwer möglich. Wenn er Sie einen „galligen, unfrohen,
alles verneinenden armen Teufel“ nennt, so ist mir das
aus dem Herzen gesprochen, ich es mir nicht habe besser
vorstellen können.


Ich wünsche Ihnen weiter dieselbe Er
folglosigkeit, die Ihr Werk bis jetzt krönt und
was die Hauptsache ist, dieselben Anhänger, die
Sie bis ietzt hatten, nämlich Leute, welche nichts
anderes können, als auf alles das zu stänkern, wo
von sie nichts verstehen und die es durch hohle
Phrasendrescherei und Schimpferei verbergen wollen,
dass sie überflüssig auf der Welt sind.


Ich schliesse ein Frankocouvert bei, da
mit ich eine Antwort von Ihnen erhalte und erwarte,
dass ich den gewünschten Zweck erreichen werde.


Achtungsvoll
Otto Tramer m.p.


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