Die MusikMusikalische Probleme des FilmsDie JournalistenPrager Presse, 29.5.1925Die Fackel


Lieber Freund und Kollege!


Ein Herr Otto Tramer, Abiturient der deutschen Staatsrealschule Mährisch-Ostrau, Miličgasse 3, hatte die wahrscheinlich
seinem jugendlichen Unverständnis zuzuschreibende Unverfrorenheit
an Herrn Karl Kraus das beiliegende Schreiben zu richten, von dem
ich Dir auch eine Abschrift anschliesse. Dir als eifrigen Leser
der Fackel brauche ich wohl nicht die Aufklärung zu geben, dass
er die auf Seite 26 des beiliegenden Heftes der „Fackel“ vomMai 1925 Nr. 686–690 enthaltene Glosse absolut nicht verstanden
hat. Während sich die Glosse gegen das Phrasenhafte des in der
Musik“ erschienen Artikels wendet, insbes. gegen die bereits im
Kriege bis zum Ueberdrusse abgedroschenen Worte vom „Ausbauen und
Vertiefen“, scheint Herr Tramer dies für eine politische Glosse
gehalten zu haben. Jedenfalls hat die Verwendung dieser Worte
mit dem sachlichen Gehalte dieser Worte gar nichts zu tun und
auf keinen Fall war Herr Tramer berechtigt einen derart unfer
froreren und unberechtigten Brief an Herrn Kraus zu senden. Ich
ersuche Dich nun gegen Herrn Otto Tramer wegen des Inhaltes die
ses Briefes, insb. wegen der Ausdrücke „da wir sonst zwei von
Ihrer Sorte hätten“ und „hätte eine hervorragende Vorlage für
den ‚Schmock‘ in seinen ‚Journalisten‘ gehabt“ und auch wegen der
anderen beleidigenden Aeusserungen die Ehrenkränkungsklage ein-
zubringen. Da möglicherweise der Referent nicht über Herrn KarlKraus orientiert sein könnte und es bei einer Ehrenkränkung nicht
nur auf den Inhalt der Beleidigung, sondern auch auf den Beleidig
ten selbst ankommt, lege ich einen Artikel der offiziellen PragerPresse vom 29. Mai 1925 Seite 4 vor, der den Referenten vollstän
dig orientieren wird.


Da Du wahrscheinlich Herrn Otto Tramer persönlich kennen
wirst und doch die Möglichkeit besteht, dass der Brief nicht aus
politischer Gehässigkeit, sondern aus Unverstand geschrieben wur
de, so überlasse ich es Deinem Ermessen, Herrn Otto Tramer vorzu
laden und die Sache auf sich beruhen zu lassen, wenn er ein ent
sprechendes Entschuldigungsschreiben an Herrn Kraus richtet, über
dies die gesamten Kosten und für einen wohltätigen Zweck einen
angemessenen Betrag bezahlt. Sollte es sich aber bei Herrn OttoTramer um einen Hackenkreuzler handeln, so bitte auf keinen Aus
gleich einzugehen, sondern auf die Bestrafung zu dringen.
Nach Abschluss der Angelegenheit bitte ich um Retournierung
des Originalbriefes.


Obwohl dies nicht ganz den Gesetzen der Höflichkeit ent
spricht, erlaube ich mir diesem beruflichen Schreiben ein paar
private Worte anzuschliessen und mich nach dem Befinden Deiner
Frau, Schwiegermutter und Schwägerin und auch nach Deinem Befinden
zu erkundigen. Leider war es mir, wie Du Dir ja denken kannst, zu
meinem grösstem Bedauern nicht mehr möglich, den Juni dazu zu be
nützen um den lange versprochenen und von mir so sehr gewünschten
Besuch abzustatten. Ich hoffe aber im Herbst das Versäumte gutmachen
zu können. Ich werde anfangs Juli auf Urlaub gehen, leider nur einen
kurzen Urlaub haben können und hoffe dann die paar Tage
in Mährisch-Ostrau als eine Ergänzung des Urlaubs betrachten
und damit alles gutmachen zu können.


Mit besten Grüssen an Euch alle bin ich Dein
ergebener Freund und Kollege


rekomm.
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