(Prozeß Karl Kraus – Anton Kuh.)


Sehr geehrter Herr!


Zu Ihrer Notiz vom 23. ds. ersuche ich, die „wahrheitsge
mässe Feststellung“ des Beschuldigten, der mit Recht den Passus
meiner ersten Zuschrift über „den schon durch ein Jahr verzöger
ten Urteilsspruch“ auf sich, „als den Urheber der Verzögerung“
bezieht, durch die folgende Mitteilung ergänzen zu wollen.
Es ist unwahr, dass „die Verhandlung ohne Bekanntgabe des
Grundes an den Beschuldigten seinerzeit vom Februar auf ein
halbes Jahr verschoben wurde, sonach für die Hinauszögerung des
Prozesses keinesfalls er die Verantwortung trägt.“ Wahr ist der
folgende Sachverhalt: Die Verhandlung, die für den 11. Februar
angesetzt war, musste abgesetzt werden aus dem juristisch ohne wei
ters ersichtlichen Grund, weil ein zweiter Beleidigungsprozess
gegen denselben Beschuldigten inzwischen anhängig gemacht worden
war und die beiden Strafsachen ursprünglich vereinigt werden
sollten. Erst nach der von mir veranlassten Trennung wurde im
ersten Prozess die Hauptverhandlung auf den 5. Juni, also kaum
4 Monate später, angesesetzt. Diese Verhandlung war aber nicht durch
führbar, weil der Beschuldigte ein ärztliches Zeugnis vorlegen
liess, wonach er an einer Blinddarmentzündung erkrankt sei und,
wie sein Anwalt vorbrachte, noch keine Zeit gehabt hätte seinen
Anwalt zu informieren. An dem Tag der wegen der Krankheit abge
setzten Verhandlung ist die Anwesenheit des Beschuldigten in
einem Theater und hierauf in einem Nachtlokal festgestellt worden.
Der nächste Termin wurde vom Strafbezirksgerichte I auf den 11. No
vember angesetzt. Die Durchführung auch dieses Termines konnte nur
durch eine besondere Wachsamkeit gelingen, da die Zustellung der
Vorladung an den Beschuldigten durch die Post sich als unmöglich
erwies und erst durch Intervention eines gerichtlichen Organes
gelungen ist.


Mit dem Ausdruck vorzüglicher
Hochachtung


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