Kölner WocheKölner Woche, 22.5.1926


Sehr geehrter Herr Kollege!


In Sachen Kraus ./. den verantwortlichen Schrift
leiter der Kölner Woche, Herrn Michel Becker, hat uns letz
terer mit der Beantwortung Ihrer Zuschrift vom 22.cr. beauf
tragt und teilen wir Ihnen erg. mit, dass unser Auftraggeber
irgendeinen Schadensersatzanspruch des Herrn Kraus nicht an
erkennen kann. Einen Schadensersatzanspruch kann Herr Kraus
nur geltend machen, wenn Herr Becker vorsätzlich oder fahr
lässig die Urheberrechte des Herrn Kraus verletzt haben sollte.
Beides trifft jedoch im vorliegenden Falle nicht zu, wie Sie
aus nachstehender Ausführung entnehmen wollen:


Die Nr. 46 der „Kölner Woche“ ist die erste Nummer
die von Herrn Becker als verantwortlichen Schriftleiter ge
zeichnet worden ist. Die vorhergehenden Nummern hatte der
hier am Ort damals gut beleumundete Redakteur Peltzer als
verantwortlicher Schriftleiter gezeichnet.


Die in Frage kommende Nr. 46 ist in der erschiene
nen Form auch noch von Peltzer zusammengestellt worden. Un
mittelbar vor ihrem Erscheinen stellte es sich heraus, dass
gegen Herrn Peltzer von Seiten der „Kölner Woche“ ein wichti
ger Grund zur fristlosen Entlassung vorlag. Um die Continuität
der Zeitschrift zu wahren, hat Herr Becker als verantwortlicher
Schriftleiter die Nr. 46 in der von Peltzer zusammengestellten
Form erscheinen lassen.


Die Rechtsprechung steht, wie Ihnen bekannt sein dürfte,
in Deutschland auf dem Standpunkte, dass der Verlag einer periodisch
erscheinenden Zeitschrift die genügende Sorgfalt aufgewandt hat,
d.h. nicht fahrlässig handelt, wenn er die Schriftleitung einem
gutbeleumundeten und erfahrenen Redakteur überlässt. Wird dem
Verlag gegenüber hierdurch die Haftung bei Urheberrechtsverletzungen
aufgehoben, so muss dies auch im vorliegenden Falle für Herrn
Becker gelten. Herr Becker hat in keiner Weise fahrlässig gehandelt
dadurch, dass er in letzter Minute für Peltzer, der ihm litera
risch als zuverlässig bekannt war, zeichnete. Daher ist auch ein
Schadensersatzanspruch Ihres Herrn Mandanten nicht gegeben.


Wir brauchen wohl nicht zu erwähnen, dass bei dieser
Sachlage von einer vorsätzlichen Verletzung der Urheberrechte des
Herrn Kraus durch Herrn Becker keine Rede sein kann.


Mit kolleg. Hochachtung
Dr. Zilkens
Rechtsanwalt.


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