Sehr geehrter Herr Justizrat!
Als Nachtrag zu meinem Schreiben vom 14. November 1927 übersende
ich Ihnen
1.) einen Ausschnitt aus dem ‚Berliner
Tageblatt‘ vom 14. August1927, enthaltend ein
Feuilleton „Ueber die Wiener Küche. Von VictorAuburtin“, zur
Charakterisierung der gemeinen Art des ‚Berliner
Tageblatt‘
in der Polemik gegen Karl Kraus, die absolut nicht
sachlich
ist, sondern sich in
derartigen widerlichen Beschimpfungen und
Schmähungen ausdrückt. Herr Kraus lässt Sie bitten, wenn Sie der Meinung
sind, dass es angezeigt ist,
gegen Herrn Auburtin und den verantwort
lichen Redakteur eine separate Klage auf Ehrenbeleidigung einzu
bringen,
2.) einen weiteren Ausschnitt aus dem ‚Berliner Tageblatt‘ un
bekannten Datums, wahrscheinlich
aus dem November 1927 „Ein Verlegerfür Else Lasker-Schüler wird
gesucht“, dazugehörig ein Schreiben des
Dr. Schönberg, Notar in Berlin und ein diesem Schreiben
beigelegter Auf
ruf
„Ein Verleger für Else Lasker-Schüler wird
gesucht“. Sie ersehen
aus
der Vergleichung des Originalaufrufes und des Abdruckes im ‚Berliner Tageblatt‘, dass absichtlich die Stelle „
Wer über die künst-
lerische Bedeutsamkeit ihres
Werkes noch belehrt sein will, mag
nachlesen, was Karl Kraus im Aprilheft der „Fackel“ (No. 757/758)
hierzu geschrieben
hat“. Es möge dies als Charakterisierung dafür
dienen, für wie notwendig es das
‚Berliner
Tageblatt‘ hält, den in
Berlin
unbekannten Herrn Karl Kraus nicht bekannt zu
machen, wie
sehr aber dem ‚Berliner
Tageblatt‘ selbst die Person des Herrn KarlKraus bekannt sein muss,
wenn sie es für notwendig hält, einen ihn
betreffenden Passus in einer Zuschrift zu unterdrücken. Es möge dies
vielleicht auch ergänzend als
Beweismittel dafür dienen, ob es
glaubhaft ist, dass Herr Kerr ein Heft der „Fackel“ erst 3 Monate
später zu Gesicht bekommen hat.
Nach meinem Dafürhalten ist es bei
einer solchen Gegnerschaft unglaubwürdig,
3.) ein Kostenverzeichnis,
in welchem die Honoraransätze nach
deutschem Tarif zu machen
ich Sie bitte.
Herr Kraus wünscht auch, dass ich Ihnen seine Stellung
nahme zu einem
eventuellen Vergleichsangebot des Herrn Kerr
mitteile.
Er wäre zu
einem Vergleich unter folgenden Bedingungen bereit:
a) Kerr veröffentlicht eine Zurücknahme der Beleidigung im
‚Berliner Tageblatt‘
b) bezahlt zu Gunsten der
deutschen Kriegsblinden einen Sühne
betrag. Die Festsetzung der
Höhe bleibt Ihnen überlassen,
c) Kerr bezahlt sämtliche Kosten.
Ich zeichne mit ergebener
kollegialer
Rekommandiert, Express. Hochachtung
6 Beilagen.