Sehr geehrter Herr Dr. Samek!


Hier die Ergänzungen meines Berichts. Die Anregung
zum Vergleich ging nicht vom Richter aus, welcher die
Hände auf dem Bauch gefaltet hatte und die ganze
Zeit über kaum den Mund auftat. Sondern vom
gegnerischen Anwalt, der, als der Anwalt von Herrn
Kraus bereitwillig darauf einging, noch festgestellt wissen
wollte, daß der Vergleich von beiden Seiten zugleich
gewünscht würde, wie er es ja in einem vorhergehenden
Gespräch mit dem Anwalt von Herrn Kraus beredet habe.


Wer der Anwalt von Herrn Kraus war (ein beleibter,
untersetzter, schwarzhaariger Herr mit einer Brille) weiß
ich nicht. Ich glaubte, daß es der Abgeordnete Levi sei,
weil dieser mir in einem Gespräch im Herbst als der
Anwalt bezeichnet worden war.


Das Wort „Literatengezänk“ ist von keiner Seite
gefallen, was ja auch nicht gut möglich war, da
Herr Kerr daneben stand. (Ich sagte in meinem
Brief: „obwohl das Wort selbst natürlich nicht fiel.“)
Vielmehr wurde die Angelegenheit von beiden
Anwälten als etwas Unwichtiges, als Literatengezänk
behandelt. Beweis dafür: die zwei, in meinem Brief
unterstrichenen, wörtlichen Äußerungen der beiden
Anwälte (etwa: „Herr Kraus und Herr Kerr halten seien mit wichtigeren Dingen
beschäftigt, als daß die Austragung dieser Sache ihnen noch Zeit wegnehmen
sollte solle “ (und der gegnerische Anwalt: „Die Justiz habe
wahrhaftig wichtigere Dinge zu tun, als mit solchen Sachen ihre
kostbare Zeit zu verbringen“)


Das sind die beiden Äußerungen in dieser Richtung,
die ich mir, weil besonders charakteristisch, wörtlich
gemerkt habe. Durch sie, und noch manche andere,
mildere, durch den Tonfall etc. wurde eben die ganze
Sache auf ein Niveau gestellt, daß ich selber in
meinen Brief als das Niveau des unwichtigen
Literatengezänkes bezeichnet habe. Der Eindruck
drängte sich einem gradezu auf und war hatte sich auch
in meiner Begleiterin, ganz unabhängig von mir,
gebildet.


Mit den besten Grüßen
Ihr
Sigismund v. Radecki


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