Berliner Tageblatt


Sehr geehrter Herr Kollege!


Ich ersuche Sie um die Beantwortung folgender
Fragen nach deutschem Recht:


Herr Kraus hat Herrn Kerr in einem
öffentlichen Vortrag einen Schuft geheissen. Herr Kerr hat
einige Tage später im „Berliner Tageblatt“ ein Gedicht ver
öffentlicht, in dem er Kraus als „Kruppzeug“, „Polemistvieh“,
„Winkelanwalt“, „Kniffgruppierer“, „Ehrenschänder“, „Parasit“,
„Schmierian“, „gerechten Lumpen“, nennt. Es ergibt sich nun
die Frage, ob eine einige Tage nach der Beleidigung, wenn auch
ohne Hinweis auf die Beleidigung erfolgte Gegenbeleidigung
als Erwiderung im Sinne des § 199 St.G. anzusehen ist, die
unter Umständen straffrei bleibt, ob diese Straffreiheit auch
bei anderen als formellen Beleidigungen oder unter Umständen
gerade nur bei formellen Beleidigungen eintritt, ferner ob,
wenn für den Erwiderer der Beleidigung die Straffreiheit ein
tritt, auch für den verantwortlichen Redakteur eine solche be-
steht, und auch ob man überhaupt den verantwortlichen Re
dakteur anklagen kann, wenn man den Beleidiger selbst nicht
anklagen will.


Ihrer geschätzten Rückantwort entgegensehend
zeichne ich mit vorzüglicher kollegialer
Hochachtung


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