Die Fackel


Steinhof, am 30. August 1930.
Herrn Dr. Oskar Samek
Wien I.
Schottenring 14


Sehr geehrter Herr,


Sie haben mir gestern gesagt, dass Sie mein an
Sie gerichtetes Schreiben, welches ein Beispiel für die Anwendung der
Variationen mit Wiederholung auf den Sprachablauf enthält, durchgelesen
haben und davon überrascht waren. Bei Ihrer Anteilnahme um das Schicksal
meiner Mutter entnehme ich dieser bescheidenen Äusserung und Ihrem Schwei
gen, das Sie meiner in jenem Schreiben ausgesprochenen Bitte um Veröffent
lichung in der Fackel erwidert haben, dass Sie die an Herrn Karl Kraus
gerichtete Bitte zwar nicht für unangebracht halten, über ihre Erfüllung
aber im Vorhinein nichts aussagen können, kein Nein und kein Ja.


Vielleicht bedarf es, um das Ja zu erreichen, noch einer Erklärung.
Auf Grund der im Zahlen-Universum eindeutig vorhandenen Grössenbeziehun
gen der Primzahlen ist durch die mehrfache Analyse der Variationen mit
Wiederholung nach *Punkten ihr zukünftiger Verlauf eindeutig gegeben; das
hiefür gültige Gesetz ist experimentell nachweisbar.


Weil es widersinnig wäre, für den Buchhandelspreis einer Fackel
nummer jedem beliebigen Leser dieses unermesslich wertvolle, der modernen
Wissenschaft unbekannte Gesetz mitzuteilen, so wurde mit dem angeführten
Beispiel einer Sprachanalyse ohne Rücksichtnahme auf die Grössenbeziehun
gen der Primzahlen nur eine einfache Analyse der Variationen mit Wieder
holung gezeigt und aus demselben Grunde im vorigen Satze statt der er
forderlichen Punktanzahl das Zeichen * gesetzt.


Das angeführte Beispiel gewährt keine Handhabe, den Verlauf von
Variationen in die Zukunft zu berechnen, und beschränkt sich auf den al
gebraischen Nachweis der Wahrheit, mit welcher ich meine „Zueignung anKarl Kraus“ (zum 23.2.1930) eingeleitet habe:


„Zufällig nennt man den Verlauf der Linie,
die aus Punkt und Punkten begriffen wird.
Doch ist die Linie da, so ist der Punkt gewiss.“


Das angeführte Beispiel beschränkt sich darauf, das Interesse an jenem
von mir zum Ausverkauf angebotenen Zahlengesetz zu wecken, durch das der
Begriff des Zufalls überwunden wird.


Mit vorzüglicher Hochachtung
Hans Loewe


Irrenanstalt am Steinhof, Pav. XII.


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