Sehr geehrter Herr!
Die Blätter, denen dieser Brief beiliegt, sind die ersten zwei
Akte einer von mir
begonnenen neuen „Macbeth“-Uebersetzung.
Der bisherige Zustand des „Macbeth“ im Deutschen ist wahrhaftig
empörend. Gerade dieses Stück ist von den Uebersetzern und
Bearbeitern, an
3gefangen
von der guten alten Tante Tieck bis zum grimmen Jordan, entweder
erbärmlich vernachlässigt oder
schändlich misshandelt worden. Trotzdem hät
te ich es niemals unternommen, da
ich noch dazu nicht vom Bau bin und kaum
über die primitivsten Kenntnisse
der englischen Sprache verfüge, mich an eine
Uebertragung des „Macbeth“ heranzumachen, wenn ich nicht
durch das Aprilheft der
„Fackel“ dazu gedrängt worden wäre. Wenn also meine Arbeit, ihre
Beendigung vorausgesetzt, eines
Dankes wert ist, so gebührt er Ihnen als
dem, der sie veranlasst hat; und
so erscheint es mir auch wie selbstverständ
lich, dass Sie der erste sind,
dem ich sie, abgesehen von einem kleinen
Freundeskreis, vorlege.
Dass ich, gleich zu Beginn
meiner Arbeit, genötigt war, die beiden
von Ihnen nachgedichteten ersten
Hexenszenen neu zu bearbeiten, und wie ich
mich dieser unsäglich schwierigen
Aufgabe entledigt habe, würde einer sepa
raten Auseinandersetzung
bedürfen, die ich mir vorbehalte, nämlich für den
Fall, dass Sie sich mit meiner
Arbeit wirklich befassen sollten. Ich wäre
Ihnen sehr verbunden, wenn Sie
sich dieser Mühe unterziehen würden. Zwei
Akte ungefähr sind noch zu
übertragen und es ist mir jetzt – den grössten
Teil des bisher Uebersetzten habe
ich während des Sommerurlaubes erledigt –
4sehr beschwerlich, mich in den wenigen Stunden, die der Beruf mir frei lässt
zur Fortsetzung der Arbeit zu
zwingen. Ein Wort von Ihnen, dass sie wert
sei, beendet zu werden, würde
mich wohl dazu bringen, dieses verantwortungs
volle Werk über alle seine
Schwierigkeiten hinweg abzuschliessen.
Mit vorzüglicher
Hochachtung
Ihr
ergebener
Dr. Flatter