Sehr geehrter Herr Kraus!
Seit der Aufführung von „Mass für Mass“ sind Jahre
vergangen. Sie haben mich
damals beschimpft, zum Teil mit Recht;
ich könnte heute genau
auseinandersetzen, worin und wieweit Sie
Recht hatten. Nur so viel,
dass „Mass für Mass“ meine zweite
Shakespeare-Übersetzung war, während ich derzeit mit der
dreizehnten
beschäftigt
bin. Es ist klar, dass ich mich gewandelt habe – und
wie ich ein anderer geworden
bin, so möchte ich, ich könnte auch
Sie aus einem Saulus in
einen Paulus verwandeln. Ich lege Ihnen ein
paar Shakespeare-Sonette vor, von denen ich bisher 31 übersetzt ha
be. Vergleichen Sie, bitte,
meinen Text mit jenem von George (abge
druckt in der Gundolfschen
Ausgabe) oder mit dem von Fulda oder
Emil Ludwig
und Sie werden, hoffe ich, finden, dass ich Shakespeare
treuer
diene als jene andern. (Von einem Sonett lege ich zur be
quemeren
Vergleichung Übersetzungen von George, Fulda und Ludwig
bei.)
Aber wie auch immer –
jedenfalls meine ich, dass
Ihnen, einem solchen Shakespeare-Verehrer,
meine Sendung Freude ma
chen wird. Immer wieder wird
behauptet, man wüsste von Shakespeare
nichts, und hier, in den Sonetten, steht er leibhaftig vor
uns.
Mit vorzüglicher
Hochachtung
Dr. Flatter