Auf Ihr Schreiben vom 31. Januar möchte ich Ihnen
Folgendes erwidern:
Wir haben bezüglich des Kokoschka-Porträts „Karl Kraus“
ausschliesslich mit der Besitzerin des Bildes Frau Helene Kann auf
Grundlage unseres Schreibens vom 11. Januar 1927 verhandelt.
Nach
der mir vorliegenden
Korrespondenz haben wir uns Frau Kann gegenü
ber verpflichtet, das
Bild in Höhe von Mk. 20.000,– zu versichern
und fernerhin das Bild sofort
nach Beendigung der Ausstellung der
Besitzerin wieder zuzustellen.
Irgendwelche anders geartete Ver
pflichtungen sind wir nicht
eingegangen.
Das Gemälde ist in unserem
Katalog der Ausstellung re
produziert. Unsere Absicht, das
Bild zu reproduzieren war der Besitzerin bekannt, da wir
sie in unserem Schreiben vom 20.I. aus
drücklich um die Ueberlassung
einer Fotografie zum Zweck der Re
produktion gebeten haben. Frau Kann konnte uns ein Foto des Bil
des nicht überlassen, da sie, wie
sie in ihrem Schreiben vom 22.I.
mitteilte, eine solche nicht
besitzt, abgesehen von der Ansichtskar-
te, die für Reproduktionszwecke
nicht geeignet ist.
Im übrigen möchte ich Sie
darauf aufmerksam machen, dass
Herr Kraus an dem Bild keinerlei
Urheberrechte geltend machen kann,
sondern dass sämtliche
Reproduktionsrechte an den Werken von OskarKokoschka
ausschliesslich die Firma Paul Cassirer
innehat. Es dürfte
Ihnen
bekannt sein, dass die Reproduktionsrechte eines Kunstwerkes
nicht mit dem Erwerb (bezw.
der Schenkung) auf den neuen Besitzer
übergehen, sondern dass die
Rechte ausschliesslich bei dem Künstler
bezw. dessen Vertreter
bleiben. Das trifft nicht nur auf Privatper
sonen, sondern sogar auf
Museen zu.
Die Herausgabe der
Fotografie des Bildes ohne unsere
ausdrückliche Genehmigung
auf einer Ansichtskarte war rechtlich un
zulässig, da die Herausgabe
nur mit unserer Genehmigung hätte er
folgen dürfen. Wenn wir
dagegen nicht eingeschritten sind, so taten
wir das nur aus besonderer
Rücksichtnahme.
Die Erwähnung einer
angeblich zugesagten Forderung von
3.000 Mark ist mir völlig
unverständlich. Sollten Herr Kraus oder
Frau Kann irgendwelche geldlichen Forderungen an den Künstler
haben,
so würde ich Sie
bitten, sich doch direkt mit Herrn Prof.
Kokoschka
in
Verbindung zu setzen.
Hochachtungsvoll
Paul Cassirer