Schoberlied


Am 5. August habe ich mit einem Genossen um 11h vorm. das Blatt kolportiert.
Als ein Zug von Schutzbündlern zum Festplatz kam, habe ich Sie laut
zum Kaufe des neuen Schoberliedes von Karl Kraus aufgefordert. In diesem
Augenblicke wurde ich sowohl von einem Wachmann zu Pferd und einem zu
Fuss verhaftet. Diese führten mich in die Wachstube Böcklinstrasse und
wurde mir dort das Nationale abgenommen. Dann wurde ich dem Polizeikommissariat Prater Ausstellungsstrasse übergeben. Vom diensthabenden
Kommissär wurde ich mit folgendem Gruss empfangen: „Sie schämen sich nicht
ein solches Spottlied über unseren Polizeipräsidenten zu verbreiten, vor
dem die ganze Welt den Hut zieht? Wenn Sie das in Rumänien, Bulgarien
oder in Ungarn täten, wären Sie schon längst am Galgen. Wahrscheinlich
ist es euch am 15. Juli zu gut gegangen; wir hätten euch alle ausrotten
sollen dann hätten wir endlich einmal von Euch Ruhe. Wenn es aber
noch einmal zu einem 15. Juli kommen sollte, dann werden wir es schon
anders machen.“


Darauf machte ich den Polizeikommissär aufmerksam, dass
wir nicht soviel geistig so hochstehende Persönlichkeiten, wie KarlKraus hätten und wenn Sie der Ansicht sind dass wir vor unserem Polizei
präsidenten Hans Schober den Hut ziehen sollten, so bin ich persönlich
nicht dieser Ansicht. Hier machte er Miene mir eine Ohrfeige zu geben,
überlegte es sich scheinbar, da ein Genosse anwesend war. Daraufhin wurde
ich einem höheren Polizeibeamten vorgeführt, dieser erklärte das Lied
für konfisziert. Nachdem die Identität festgestellt wurde, wurde ich
nach 2 Stunden freigelassen. Hierauf ging ich zum Festplatz zurück
und verständigte die anderen Kolporteure dass die Verbreitung des Schoberliedes verboten sei. Ich versuchte nochmals zu kolportieren und wurde
dann von einem Funktionär, erkenntlich durch die Binde und der auch auf seine Mitgliedschaft zum Festkomite pochte, des Festplatzes aufgefordert die Kolportage einzustellen,
widrigenfalls er mich verhaften lassen wolle und im Nu waren sämtliche
Kolporteure verhaftet. Ich habe die feste Ueberzeugung dass die Verhaftung
auf Veranlassung des betreffenden Funktionärs vorgenommen wurde,
weil der Funktionär vorher mit dem Wachmann
gesprochen hatte.


Max Babad