Sonderausgabe der Fackel, Nr. 1 (= Schoberlied)


G.Z. P B 115/2


An die
Bundespolizei-Direktionin Wien.


Karl Kraus,
Robert Schützenhofer,
Max Babad,
Max Blatt,
Hugo Rosenberg,
Karl Kaiser
durch:


1 fach


erheben Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizei-Direktionvom 24. Mai 1929, G.Z. P B 115/2 respektive den Bescheid der
Wiener Landesregierung vom 5. April 1929 M Abt. 55/K/86/Str/29.


12. JUNI 1929
[Unterschrift]


Gegen den Bescheid der BundespolizeiDirektion in Wien vom 24. Mai 1929 G.Z. P B 115/2 beziehungsweise
den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 5. April 1929 G.Z.
II Abt. 55/K/86/Str/29 erheben wir fristgerecht folgende
Berufung.


Die Entscheidung spricht aus, dass die
Bundespolizeibehörde zu einer Entscheidung über ein Schadener
satzbegehren wegen unbegründeter Verfallserklärung oder Beschlag
nahme von Exemplaren eines Druckwerkes nicht zuständig sei, sondern
zu einer solchen meritorischen Erklärung in Bezug auf erhobene
finanzielle Forderungen nur diejenige Zentralstelle des Bundes, der
das Verfügungsrecht über die für die Befriedigung des Anspruches
allenfalls zustehende budgetmässige Dotation zusteht. Für den Fall,
dass diese Entscheidung richtig ist, kann sie sich nur auf den
gesamten geltend gemachten Schadenersatz beziehen und nicht ledig
lich auf den entgangenen Gewinn. Es hat also entweder eine Ent
scheidung in der Sache selbst bezüglich beider geltend gemachten
Ansprüche zu erfolgen oder es ist der Ausspruch bezüglich beider
Ansprüche zu beheben.


In der Sache selbst halten wir die Entscheidung,
dass der Anspruch auf Rückersatz der Kosten für die Vertretung
durch einen Rechtsanwalt nicht zurecht besteht, für unrichtig. Der
§ 66 des Verwaltungsstrafgesetzes bestimmt, dass die Kosten des
Verfahrens von der Behörde zu tragen sind, wenn ein Strafverfahren
eingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Berufung oder
Wiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben wird. Es ist unrichtig,
dass sich dies lediglich auf die der Behörde im Strafverfahren
erwachsenen Kosten bezieht. Diese Kosten sind gemäss § 75 desallgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes von amtswegen zu tragen
und lediglich der Bestrafte hat einen Beitrag zu diesen Kosten
zu leisten, wie § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes ausdrückt. Bei
dieser Rechtslage wäre eine Bestimmung, dass die Kosten des Ver
fahrens von der Behörde zu tragen sind, wenn das Strafverfahren
eingestellt wird, überflüssig, da sich dies ja von selbst er
gibt. Eine solche ausdrückliche Bestimmung kann also nur den
Sinn haben, dass die Kosten des Verfahrens dem Beschuldigten
zu ersetzen sind, wenn er solche gehabt hat. Wir verweisen auf
die analoge Bestimmung des Kostenersatzes beim Verfassungsgerichts
hof, die heranzuziehen ist.


Auch halten wir es für unzulässig, die
Berufungsentscheidung lediglich dahin zu fällen, dass die Ent
scheidung erster Instanz behoben wird. Es muss notwendigerweise
der ersten Instanz auch der Auftrag erteilt werden, den Akt
zur Entscheidung an die zuständige Zentralstelle des Bundes zu
überweisen.


Wir stellen also den
Berufungsantrag,
entweder die Entscheidung gleichlautend bezüglich beider An
sprüche dahin zu fällen, dass die ursprüngliche Entscheidung
der Bundespolizeidirektion behoben und dieser aufgetragen
werde, den Akt zur Entscheidung an die zuständige Verwaltungs
behörde zu überweisen; eventuell stellen wir den
Antrag,
in der Sache selbst über beide geltend gemachten Ansprüche zu
entscheiden.


Karl Kraus.
Robert Schützenhofer.
Max Babad.
Max Blatt.
Hugo Rosenberg.
Karl Kaiser.


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