Sehr geehrter Herr Kollege!
In Sachen Schardt (Fränkischer
Kurier)
habe ich
Herrn Justizrat Dr. Süssheim zum Termin für
Mandanten aufgestellt.
Dieser hat die Vertretung über
nommen und ein Sonderhonorar von 50 RM – auf Grund meines
Ersuchens um besonderes
Entgegenkommen – neben den Gebühren
verlangt, mit dem Vorbehalt,
im Falle eines Vergleichs von
Gegner ein bedeutend höheres Honorar zu
fordern.
Kurz vor dem Termin hat der
Gegenanwalt den
anliegenden
Schriftsatz abgegeben, den ich zurückerbitte.
Es ergibt sich daraus der
höchst ungewöhnliche Sachverhalt,
dass der Beklagte seinen eigenen Kollegen als Verfasser
des Artikels benennt. Dieses Verhalten ist nach
deutschen
Begriffen ein
ungewöhnlich schwerer Verstoss gegen die
Gepflogenheiten der
Redakteure. Derartige Methoden werden
nach den Standesbegriffen
der Redakteure als standes
widrig erachtet.
Nach §
21 II Pressgesetz bleibt die Bestrafung
des verantwortlichen
Redakteurs, Verlegers und Druckers
ausgeschlossen, wenn sie als
den Verfasser oder Einsender,
mit dessen Einwilligung die
Veröffentlichung geschehen
ist, eine Person bis zur Verkündung des Urteils
nachweisen,
welche in dem
Bereich der richterlichen Gewalt eines
deutschen Bundesstaates sich
befindet.
Nachdem der Beklagte unter höchst auffallender
Abweichung von den
Gepflogenheiten der Presse den
Verfasser benannt hat, muss ich raten, die Klage gegen
Schardt zurückzuziehen und in München gegen
Hohenstatter
zu klagen. Die Antragsfrist ist
selbstverständlich ge
wahrt, da der Name des Täters erst durch den gegnerischenSchriftsatz vom 30.6.,
zugestellt 3.7.28, mir bekannt
geworden ist und erst von dem Tage an die dreimonatliche
Antragsfrist läuft, an welchem
der Beleidigte den Namen
des Täters erfährt. Die Gegenpartei
würde sich sonst ein
Vergnügen
daraus machen, die von ihr benannten Zeugen im
Termin vernehmen zu lassen und
die Abweisung der Klage
dadurch
zu erzielen. Die Kosten der Hauptverhandlung ein
schliesslich der Reise
des Hohenstatter würden HerrnKraus
zur Last fallen.
Ich bitte, mir von Herrn Kraus die Ermächtigung
zu besorgen, einigen
grösseren Zeitungen von dem Verhalten
der Gegenpartei zu
berichten, damit dieses Verhalten
öffentlich bekannt gemacht
wird. Die Gegenpartei wird
sich in den Augen der anständigen Journalisten dadurch
ausserordentlich schädigen.
Durch die Zurücknahme der Klage gegen Schardt
würden die bisher entstandenen
Kosten Herrn Kraus
zur Last fallen. Der Gegenanwalt kann aber bisher nur
20 RM berechnen, die
Gerichtskosten sind ganz gering.
Die gesetzlichen Gebühren des Herrn Justizrat
Süssheim
würden ebenfalls ca. 20 RM
betragen, es dürfte aber
angemessen sein, ihm einen höheren Betrag zu bewilligen.
Ich kann aber leider nichts
anderes raten.
Neuer Termin steht auf
2. August 1928
an. Rechtzeitig vorher muss die
empfohlene Zurücknahme
der Klage erfolgen. Für
den Fall, dass sofort gegen
Herrn Hohenstatter in München geklagt werden soll,
lege ich Vollmacht bei. Da dieser Artikel noch viel
schwerere Beleidigungen enthält
als der des VölkischenBeobachters, dürfte die
Verurteilung in München
glatt sein.
Hochachtungsvoll
ergebener Kollege
Dr. Hirschberg
Rechtsanwalt.
2 Anl.