Antinationaler Skandal in München


Sehr geehrter Herr Kollege!


Ihr geschätztes Schreiben vom 12./7.1928
samt beigeschlossener Erklärung des Beschuldigten Schardt habe ich
Herrn Kraus zur Kenntnis gebracht. Er hat sich mit Ihrem Vorschlag
einverstanden erklärt, nämlich, Herrn J. R. Süssheim, für den Fall
als es zum Termin kommen sollte, ein Sonderhonorar von 50R.M. zu
sichern, ferner den Strafantrag gegen Schardt zurückzuziehen und
einen neuen Strafantrag gegen Dr. Ernst Hohenstatter einzubringen
und in diesem Falle an Herrn J.R. Süssheim 20 R.M. und die gegneri
schen Kosten zu bezahlen. Ich für meine Person bitte Sie aber folg
endes in Erwägung zu ziehen, bevor Sie den Strafantrag gegen
Schardt zurückziehen, wobei ich jedoch bemerke, dass ich für das
deutsche Recht ähnliche Bestimmungen als gegeben voraussetze, wie
sie für das österreichische Recht gelten und bitte Sie daher zu
überprüfen, ob meine Ansicht auch nach deutschem Rechte vertretbar
ist. In dem Schriftsatz des Herrn Schardt, in welchem er Dr. Hohenstatter als den Verfasser des Artikels angibt, wird nämlich wört
lich gesagt: „Die Herübergabe von Dr. Hohenstatter nach Nürnberg
wurde vom Telefonstenografen Pfälzner im Aufnahmebüro des Fränki-
schen Kuriers aufgenommen. Der Angeschuldigte hat sogar bei einer
Wendung des Dr. Hohenstatter eine Milderung im formellen
Ausdruck vorgenommen, woraus hervorgeht, dass ihm jede persönliche
Absicht der Beleidigung ferne lag.“


Nach meinem Dafürhalten hat also Schardt damit zuge
geben den beleidigenden Artikel vor der Drucklegung gelesen und
zum Drucke befördert zu haben, sich also der strafbaren Handlung
mitschuldig gemacht. Dass er eine einzelne Wendung gemildert hat,
beweist nur, dass er für diese Wendung die strafrechtliche Verant
wortung eben nicht übernehmen wollte, für die übrigen Beleidigungen
aber im Bewusstsein der Beleidigung die Drucklegung besorgt hat. Nach
österreichischem Rechte wäre er unbedingt als Mitschuldiger zu be
strafen.


Gleichzeitig sende ich Ihnen den mir überlassenen
Schriftsatz mit Dank zurück, sowie ich Ihnen auch den besten Dank
des Herrn Kraus übermittle.


Mit vorzüglicher kollegialer
Hochachtung


1 Beilage
Rekommandiert.


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