Prager Presse


Werter Herr Karl Kraus,


ich gratuliere Ihnen zu dem Urteil des Gerichts!
Meine Befürchtung, der Richter könnte vielleicht zu der „Entschliessung“
kommen, beide Parteien seien zu verurteilen oder freizusprechen, ist
grundlos und eine Ueberschätzung der Justiz gewesen. Die zeitungsfressende
Welt kann nun nicht faseln, es sei ein „gerechter Spruch“ gefällt worden.
Daß Herr Theodor Wolff als Unschuldslamm aus der ersten Instanz entlassen
worden ist, obwohl er der Verleumder und seine „Widerklage“ nur eine Hilfs
aktion der Furcht war, diese Tatsache ist so lustig, daß ich gestern Abend
nicht aus dem Lachen herausgekommen bin.


Leider wird die Berufungsinstanz mir die Freude zerstören. Denn es
wird keinen zweiten Richter geben, der so objektiv urteilen kann wie der
Herr Dahl. Was stand zu Verhandlung? Eigentlich doch wohl nur, ob ich in
der „Prager PresseHardens Worte wiedergegeben habe und die Wolff- Kerr
sie mit vornehmem Schweigen beantwortet oder ihnen widersprochen haben.
Nichts weiter! Nichts anderes hatten Sie geschrieben, als daß die Wölffe
nicht aufgeheult, als ihnen die „Prager Presse“ vor Augen kam.


Sie haben natürlich gegen das Urteil Berufung eingelangt? Da der
klassische Richter sogar dem Kerr eine Ehrenerklärung zu geben für möglich
erachtete, dürfte Herr Kerr in der zweiten Instanz wohl nicht zum Eid
kommen.


Mit herzlichen Grüssen
Ihr
Franz Pfemfert