Die ZukunftBerliner TageblattDie Fackel


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Sehr geehrter Herr Doktor, Sie hatten die Freundlich
keit, mir zu versprechen, daß Sie Herrn Karl Kraus übermitteln
wollen, ich lasse ihn bitten, mir einige Hefte seiner Zeit
schrift zur Verfügung stellen zu wollen. – Mir sind vor allem
jene Hefte wichtig, in welchen Herr Kraus Maximilian Harden
angegriffen hat, dann jenes, in welchem, wie Harden sich ausdrück
te, Herr Kraus ihm eine „Ehrenerklärung“ abgegeben hat und dann
vielleicht noch das Heft, in welchem er zu Hardens Tod
Einiges über ihn sagte. – Wie ich Ihnen schon mitteilte, brauche
ich diese Hefte der „Fackel“ dringend. In die Staatsbibliothek
zu gehen ist mir, zu Folge meines sehr schlechten Gesundheits
zustandes, nicht möglich.


Ich würde mich direkt an Herrn Kraus wenden, denke aber,
daß es ihm lieber ist, ich übermittele ihm meine Bitte um eine
Gefälligkeit durch Sie.


Dankbar wäre ich auch für eine genaue Auskunft darüber,
ob es wahr ist, daß – wie Herr Rechtsanwalt Dr. Landsberger mir
mitteilte – Herr Kraus gesagt hat, Harden sei ein Lügner
gewesen. Ich hatte vor dem mich vernehmenden Landgerichtsrat
erklärt: „Harden ist immer ein sehr wahrhaftiger Mensch gewesen;
er hat nie gelogen! Und wie sollte er wohl dazu gekommen
sein, in dieser, für ihn wie für mich höchstens interessanten
aber unwichtigen Angelegenheit, eine Lüge zu sagen? Ich
bin doch auch kein ‚öffentlicher‘ Mensch …“ Auf diese meine
Erklärung behauptete R.A. Landsberger, Herr Kraus habe selber
Harden einen Lügner genannt! Ich habe dazu noch weiter erklärt,
daß ich, obgleich Herr Kraus mir ganz unbekannt sei, dies nicht
von ihm glauben könne, weil ja auch die erbittertsten Feinde
Hardens ihm niemals eine niedrige Handlungsweise nachsagen konn
ten. Ich habe Herrn R.A. Landsberger auch gefragt, wo Herr
Kraus Harden einen Lügner genannt habe; Herr R.A. Landsberger ist
mir die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben. Er hat sich
darauf beschränkt, mit mir sich darüber zu unterhalten, mit wel
cher Aufführung Max Reinhardt sein Zirkustheater eröffnet und
wer darin mitgespielt habe. Die einzige zur Sache stehende Aeuße
rung dieses Herrn welche mir verständlich war (ich hatte zwei
Tage vorher eine Operation an einem Ohr): „Ich bitte der Zeugin
vorzuhalten, daß Max Reinhardt unter seinem Eid ausgesagt hat,
er habe zu TW gesagt, daß Harden ihm gegenüber geäußert habe –
nachdem wieder einmal eine schlechte Kritik des Herrn Kerr im BT
gestanden: ‚Da haben Sie ihren Freund Wolf‘! wie stellt sich die
Zeugin dazu“? – Ich habe darauf geantwortet: „Dazu kann ich nichts
sagen, denn ich bin niemals bei Unterredungen, die Harden mit
Reinhardt gehabt hat, zugegen gewesen; ich weiß nur, daß Harden
stets immer wieder hervorgehoben hat: ‚Reinhardt ist empfindlich
wie ein Kind; wenn man ihn nicht bis in den Himmel lobt ist er
unzufrieden; Harden hat auch häufiger in der ‚Zukunft‘ über diese
Empfindlichkeit Reinhardts geschrieben.“


Ich bin gefragt worden, ob es richtig sei, daß Reinhardt
mir geschrieben habe, ich solle nicht aussagen. Auf meine
Frage, wer dies aufgebracht habe, wurde mir vom vernehmenden
Richter ausweichend geantwortet (ich darf wohl vermuten, daß diese
Frage ein sogen. „Anwaltstrick“ gewesen ist? man wollte wohl nur
die Rede auf meine Korrespondenz mit Max Reinhardt bringen?) Ich
habe zu dieser Frage gesagt: „Reinhardt wird doch nicht so dumm
sein und derartiges schreiben“?! Worauf der Richter sagte, mit
sehr starker ironischer Betonung, die mich erfreute: „dergleichen
schreibt man nicht, das sagt man höchstens“!


Wie Sie wohl schon wissen, bin ich ersucht worden,
den Brief Max Reinhardts zu den Akten zu legen. Ich habe erklärt,
daß meine Auseinandersetzung mit M.R. eine rein private gewesen
sei und daß ich deshalb den Brief nicht zu den Akten legen möchte.
Ich bin dann ersucht worden, wenigstens eine Abschrift zu geben.
Ich habe auch dieses abgelehnt, habe gebeten, man möge mir erlauben,
daß ich mir überlege, ob ich eine Abschrift geben kann. Dann wur
de ich gebeten, wenigstens den einen Satz aus dem R.-Brief, den
ich citiert hatte, den Richter lesen zu lassen. „Uebrigens habe
ich gegen einen Mann ausgesagt, der Harden zeitlebens in der nied
rigsten
Weise angegriffen hat“. Dieser Satz ist auf Wunsch Ihres Herrn
Vertreters protokolliert worden. – (Hier muß ich bedauern, daß
nicht meine Aussage in allen Teilen protokolliert worden ist.)


Ich wäre froh, wenn die an dieser peinlichen Angelegen
heit beteiligten Herren (Wolf, Reinhardt, Kerr) sich bemühen
wollten, den vom Richter angeregten Sühnetermin zu einem für
das Andenken meines verstorbenen Freundes guten Ende zu bringen.
Ich wäre auch Herrn Kraus dankbar, wenn er dazu mithelfen wollte.
Selbst kann ich nun zu der Sache nichts mehr sagen.


Sie hochschätzend und dankbar für die
Uebermittelung meiner Bitte


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