Abschrift.
Sehr verehrter Herr Kollege!
Ihre beiden Schreiben vom 25./8.
und 2./9.1931 sind
mir hierher
übersandt worden. In Sachen Woll-Kerr hatte ich vor mei
ner Abreise dem Zeugen
Dr. Lapp, der erst nach einer Vorschuss-Ein
Zahlung von RM. 250.–
durch uns amtlich geladen wird, mitgeteilt, dass
am 17./9. Termin ansteht. Lapp hat daraufhin dem Gericht und Dr. Laserstein abgeschrieben; er
sei auf Reisen in der Schweiz und am 17./9.
noch nicht zurück. Lapp hatte bisher noch niemals abgesagt. Seine
Vernehmung halte ich für
unverzichtbar. Ich sprach gestern telepho
nisch mit Dr. Laserstein und bat
ihn, auch mündlich beim Vorsitzenden
eine möglichst kurze Verlegung
des Termines zu erwirken. Ich bin über
zeugt, dass auch Herr Kraus eine
Hauptverhandlung ohne den Zeugen Lapp
für unmöglich hält. Der Zeuge hatte mir vor dem vorletzten Termin noch
schriftlich mitgeteilt, er hätte
seinerzeit Kerr – vor dessen Ueber
tritt zu Mosse – von seiner (des Zeugen) Bedrängung, pro Reinhardt zu
kritisieren, persönlich
unterrichtet, K. hätte dazu nur geschwiegen.
Dr. Laserstein wird
sicherlich von der zu erwartenden Terminsverlegung
Ihnen Nachricht geben.
In der Sache Ludwig teile ich Ihre sachlichen Bedenken,
hinsichtlich einer sicheren
Verurteilung Rowohlts durchaus. Auch bei
uns ist Vorsatz, für die
strafbare Beleidigung erforderlich. Ihn im
Vorverfahren zu vernehmen, wird
nicht möglich sein, da für den konkreten
Fall das Sühneverfahren
fortfällt. Den Vorteil, die Privatanklage auch
gegen ihn auszudehnen, sehe ich
gleich Ihnen in erster Linie darin, dass
es so leichter sein würde,
überhaupt zu einer Hauptverhandlung zu kom
men. Ich hatte vor Jahren eine
Sache, bei der nur durch ein entsprechen
des Prozedieren das Erscheinen
des im Ausland sich aufhaltenden direk
ten Beleidigers zu erreichen war.
Allerdings war damals nicht der Ver-
leger eines Buches, sondern der
Herausgeber einer Zeitschrift mit
zuverklagen, der Fall lag also
einfacher und günstiger. Einen voll
kommen entsprechenden Fall habe
ich noch nicht in meiner Praxis
gehabt. – R. im Verfahren gegen Ludwig erst als Zeugen zu benennen,
scheint mir nicht recht
aussichtsvoll zu sein. Vielleicht wird ihm
das Gericht auch als Angeklagten
nicht glauben, dass er das Buch
seines erfolgreichsten Autors überhaupt nicht – auch nach der Druck
legung nicht – gelesen
hat.
Ich wäre Ihnen sehr verbunden,
nochmals Ihre
Meinung über den
aussichtsvollsten Modus des Vorgehens gegen R.
und die Entschliessung von Herrn
Kraus zu hören.
In der Annahme,
dass der Termin
vom 17./9. in Sachen Wolff – Kerr aufgehoben und
mir das baldigst mitgeteilt wird,
beabsichtige ich bis ca. den
10./9. in den Ferien zu bleiben.
Mit vorzüglicher Hochachtung und
der Bitte,
Herrn Kraus, meine besten
Empfehlungen auszu
richten, bin ich Ihr sehr ergebener
Katz m.p.