Ich sende Ihnen noch einmal die Berichtigung mit
der Aufforderung zu deren Abdruck und erwidere auf Ihr Schreiben vom4.5. : Dass die 3 Punkte nach dem Wort „zerrissen“ „nach dem deutschen
Schriftgebrauch einwandfrei angeben, dass hier einige Verse nicht
zitiert sind“, ist unrichtig. Die 3 Punkte wirken hier vielmehr als
die typischen Stimmungspunkte, die in einem schlechten lyrischen
Stück an jener Stelle, wo von dem Herzen der Mutter die Rede ist,
auch pünktlich stehen würden. Wenn Sie eine Weglassung von Versen, die
„für Ihre Beweisführung belanglos sind“, andeuten wollten, so hatten
Sie nach der Stelle, wo sie erfolgt, etwa eine Zeile Gedankenstriche
zu setzen.


Dass „hinsichtlich des von Ihnen über die obszönen Verse ge
machten Werturteils“ in der Berichtigung „gar keine Stellung genommen“
wird, ist richtig. Dies erklärt sich aber erstens daraus, dass ein
Werturteil nicht berichtigt werden kann, und zweitens daraus, dass
selbst wenn dies pressgesetzlich zulässig wäre, der Autor, den das
Werturteil betrifft, sich durch dieses nicht im geringsten berührt
fühlt. Es ist jedoch keineswegs richtig, dass lediglich Wert darauf
gelegt wird, dass die Verse, die Sie für obszön halten, sich an von
Ihnen zitierten Verse „nicht unmittelbar anschliessen“. Es wird da
mit gewiss nicht zugegeben, dass überhaupt obszöne Verse vorkommen,
sondern nur festgestellt, dass die sich unmittelbar anschliessenden
Verse, von denen Sie gesprochen hatte, nicht obszön sind. Wieso die
se Feststellung „irrig“ sein soll, erklären Sie mit keinem Wort. Ob
sie „ absolut nebensächlich“ ist, hat der von Ihrer Behauptung Betroffene mit demselben Recht zu entscheiden wie Sie. Dass die Aus
legung, die dem Wort „anreihen“ gegeben wird, „gar nicht dem in
Reichsdeutschland üblichen Sprachgebrauch entspricht“, ist falsch; es
wäre denn, dass dieser Sprachgebrauch selbst falsch ist. Jedenfalls
ist die Logik falsch, mit der Sie das Beispiel „Eine Reihe von Straf
taten“ heranziehen, durch das nicht zum Ausdruck gebracht sei, „dass
sich die Straftaten unmittelbar aneinander anschliessen“. Abgesehen
davon, dass diese Reihe in sich selbst einen unmittelbaren Anschluss
der Straftaten aneinander bedeutet, dient das Beispiel keineswegs der
Erläuterung. Denn wenn eine solche Reihe auch nur der beiläufige Aus
druck für eine Quantität wäre, so ist Ihnen hier eine Verwechslung
des Aneinanderreihens innerhalb der Reihe mit dem Anschluss dieser
Gesamtheit an ein vorher Gesetztes passiert. Ob sich die Straftaten
unmittelbar aneinanderschliessen oder nicht – sobald sie an eine
andere Handlung angereiht sind, sind sie eben alle zusammen oder eine
von ihnen an diese unmittelbar angereiht. Es ist also mit Recht fest
gestellt worden, dass die sich anreihenden Verse, die Sie als obszön
bezeichnet haben, so und so lauten. Damit ist natürlich keineswegs
gesagt worden, dass obszöne Verse vorhanden sind, die sich nicht un
mittelbar anreihen. Der Autor weiss nicht, welche Verse Sie für obszön
halten, und Sie wären wohl auch in Verlegenheit, wenn Sie aufgefordert
würden, solche anzuführen. Wenn Sie etwa die 7 Seiten von jener Stel
le entfernten Verse der „Psychoanalen“ gemeint haben, so wäre Ihnen
vielleicht zu erwidern, dass die Darstellung der Sexualforscherei
sich vom Standpunkt der deutschvölkischen Kultur weniger als Obszöni
tät erweisen dürfte denn als deren Brandmarkung. Sie würden sich doch
wohl auch dagegen verwehren, dass man Ihre Charakterisierung eines
Autors, der einem teilweise syphilitisch verseuchten Literaturkreise
angehöre, für eine Obszönität erklärt, wiewohl man da schon mit eini
gem Recht sagen könnte, dass sie eine Schweinerei ist.


Zum Schluss Ihres Schreibens geben Sie sich der optimisti
schen Hoffnung hin, dass der Berichtigungswerber nach Ihrer „Auf
klärung“ „selbst feststellen“ werde, dass sein Berichtigungsersuchen
durchaus unberechtigt sei. Sie meinen, es liege „ja auch nicht im
Interesse meines Mandanten“, dass aus so kleinlichen und inhaltlich
belanglosen, nur formalen Gründen eine Berichtigung erfolge, „da sich
an diese unbedingt ein Kommentar Ihrerseits anknüpfen müsste“, was
meinem Mandanten „nicht gleichgültig sein kann“. Hier haben Sie zwar
ein gutes Beispiel für unmittelbare Aneinanderreihung gefunden, aber
Sie ahnen gar nicht, wie falsch es wieder in inhaltlicher Beziehung
ist. Denn wenn es wirklich nicht ausschliesslich Sache meines Mandanten wäre, zu entscheiden, was in seinem Interesse liegt, so kann ich
Ihnen doch die Versicherung geben, dass ihm nichts auf der Welt
gleichgültiger ist als der Kommentar, den Sie an seine Berichtigung
anreihen. Er hat lediglich ein Interesse an dieser, an der Beseitigung
ihn betreffender unwahrer Behauptungen, aber nicht das geringste an
der Verhütung Ihrer Werturteile, deren Recht Ihnen durch den Zwang der
Berichtigung keineswegs genommen wird. Sie scheinen zu glauben, dass
er sich dieser ihm drohenden Gefahr nicht bewusst ist, wenn er Sie zu einer
Berichtigung auffordert. Er ist sich aber der Rechte, die ihm wie Ihnen
in solchem Falle gewahrt bleiben, durchaus bewusst und in der Materie
so bewandert, dass er Sie auf die Möglichkeit aufmerksam machen möchte,
Ihren Versuch, ihn von der Geltendmachung eines Rechtes durch Ankündi
gung eines „Kommentars“ abzuhalten, als Nötigung aufzufassen. Wie
immer Sie es nun mit diesem halten mögen, werden Sie hiemit aufge
fordert, die Berichtigung zu veröffentlichen und ein Belegexemplar
an mich gelangen zu lassen.


Hochachtungsvoll


1 Beilage.
Rekommandiert mit Rückschein.


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