Sehr geehrter Herr Intendant!
Da Herr Karl Kraus verreist war, bin ich
erst heute in der Lage Ihren
Brief vom 16. Januar 1931 zu be
antworten.
Obwohl ich Ihren rechtlichen
Standpunkt
durchaus nicht
anzuerkennen vermag, weil von einer vismajor
im Sinne des Gesetzes nicht die
Rede sein kann, so ist mein
Mandant dennoch bereit ein letztes Mal in eine
Verschiebung ein
zuwilligen. Freilich wäre ein Aufschub bis zum Mai, der schon
eine äusserst ungünstige
Theaterzeit ist, nicht möglich; als
letzter Termin käme Mitte April
in Betracht. Aber auch in diese
Verschiebung kann ich nur unter folgenden Bedingungen einwilli
gen: Es müsste ein
vollstreckbarer Notariatsakt auf Ihre Kosten
errichtet werden, wonach das
vereinbarte Pönale von Mark 2.000.–
am 16. April ohne Rechtsweg
vollstreckbar zu zahlen ist, wenn
die Aufführung nicht bis zum 15. April stattgefunden hat. Ueber
dies müssten Sie erklären, dass
der Aufführungsvertrag unberührt
bleibt und dass die Aufführung trotz Zahlung des Pönales in der
Zeit vom 1.X. bis 15.XII.1931
stattfinden wird. Den Punkt der
Vorlesungen, deren Veranstaltung Sie selbst in Vorschlag ge
bracht haben, wollen wir
keinesfalls in einen Konnex mit der
Aufführungsverpflichtung bringen,
wohl aber in Verbindung mit
dem Aufführungstermin. Es bleibt
Ihnen überlassen, ob Sie eine
oder zwei Vorlesungen veranstalten wollen. Da es sich um Offenbach-Vorträge handeln wird, für die ein Begleiter mitgenommen
werden muss, so wäre die
materielle Bedingung, nach der Sie
fragen, für die einzelne Vorlesung 50 zu 50% mit einer Garantie
von Mark 1.000.–. Das Programm
wäre: Perichole mit dem neuen
Text von Karl Kraus und Pariser
Leben mit dem Text von CarlTreumann in der
Bearbeitung von Karl Kraus, (welches Werk in
Frankfurt dringend der Rehabilitierung bedarf). Die Begleitung
hätte in beiden Fällen Herr Franz Mittler. Wenn Sie nur eine
Vorlesung veranstalten könnten,
so behält sich der Vortragende
die Abhaltung der zweiten in einem anderen Rahmen vor. Die
Vortragsdauer ist die eines
Theaterabends von ca. drei Stunden.
Mit vorzüglicher
Hochachtung
Ihr ergebener