1 R 823/32
10


177 Cg 322/32
10


Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht
hat in der Rechtssache der klagenden Partei Verlag„Die Fackel“ Herausgeber Karl Kraus,
prot. Firma in Wien III., Hintere Zollamtsstrasse 3,
vertreten durch Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt in Wien,
wider die beklagte Partei: Die Stadt Frankfurt am Main als Konzessionärin der Frankfurter städtischen Bühnen, zu
Händen des Magistrates Frankfurt am Main, vertreten durch Dr. Richard Pressburger, Rechts
anwalt in Wien, wegen Feststellung und Rechnungslegung
und wegen Bezahlung von 2.000 RM samt Nebengebühren in
folge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschlussdes Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 4. November 1932,
GZ. 7 Cg 322/32/7, den
Beschluss
gefasst:


Dem Rekurse wird nicht Folge gegeben.


Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglo
sen Rechtsmittels selbst zu tragen.


Begründung:


Die klagende Partei hat die Zuständigkeit des an
gerufenen Landesgerichtes für ZRS. Wien auf die im Vertrage vom 23. Mai/25. Juli 1929 im § 9 getroffene Verein
barung, dass „Wien Erfüllungsort“ sei („§ 88 JN.“),
gestützt.


Die beklagte Partei hat die Einrede der Unzulässigkeit
des Rechtsweges sowie die Einrede der sachlichen und
örtlichen Unzuständigkeit und die Einrede der entschie
denen Streitsache erhoben.


Der Rechtsweg sei deshalb unzulässig, weil zwischen
den Parteien als vereinbart anzusehen sei, dass die aus
dem gegenständlichen Vertrage entspringenden Streitigkei
ten vor das Bühnenschiedsgericht Berlin oder Wien zu brin
gen seien. Jedenfalls liege aus diesem Gesichtspunkte min
destens sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes vor. Endlich komme örtliche Zuständigkeit eines Wie
ner Gerichtes deshalb nicht in Betracht, weil die Klausel
des § 9 des Aufführungsvertrages vom 23. Mai 1929 „Erfül
lungsort: Wien“ nach der Sachlage ein Unding sei, weil
doch gemäss § 2 dieses Vertrages die Aufführungen (und dies
sei doch der wesentlichste Bestandteil der Erfüllung) in
Frankfurt am Main zu erfolgen haben.


Der Erstrichter hat die erhobenen Einreden durchaus
für unstichhältig erklärt. Dagegen richtet sich der Rekursder beklagten Partei, jedoch zu Unrecht. Zunächst geht
die Argumentation des Rekurses fehl, die sich darzutun
bemüht, dass die prozessualen Handlungen der Parteien,
welche vor dem Berliner Bühnenschiedsgericht am 2. März
1932 zum dortigen Aktenzeichen Sch 23/32 (siehe Beila
ge W) vorgenommen wurden, noch keine rechtserzeugende
Wirkung in Bezug auf die Zuständigkeitsfrage für den Fall
der neuerlichen Anbringung dieser Rechtssache gebaut haben.


In Wahrheit ist der prozessuale Sachverhalt der fol
gende: Vor dem Bühnenschiedsgericht in Berlin hat die
beklagte Partei „den Einwand der Unzuständigkeit“ des
Schiedsgerichtes mit der Begründung erhoben, dass KarlKraus nicht Mitglied eines der in Frage kommenden Verbände
sei.


Daraufhin hat der Vertreter der klagenden Partei
letztere Tatsachenbehauptung anerkannt und die Klagebeim Bühnenschiedsgericht zurückgenommen. Die Klägerin
hat also der genannten Einrede gegenüber submittiert.
Damit ist für die Frage dieser Zuständigkeit zwischen
den Parteien bezüglich der gegenständlichen Rechtssa
che endgültig die Kompetenz des Schiedsgerichtes ne
giert.


Der Erstrichter hat deshalb durchaus recht, wenn
er sagt, dass beide Teile „einerseits durch die Einwen
dung der Zuständigkeit vor dem Berliner Schiedsgericht
und andererseits durch die daraufhin erfolgte Klags
rücknahme seitens des Klägers die schiedsgerichtliche
Kompetenz ausgeschlossen haben“.


Damit entfällt aber die Notwendigkeit einer weite
ren Untersuchung, ob die klagende Partei aus dem Ge
sichtspunkte der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörig
keit des Inhabers des Verlages „Die Fackel“ an den
Tarifvertrag (siehe Beilage Nr. 2) sowie die „All
gemeinen Bestimmungen desselben für den Geschäftsver
kehr“ (ebenfalls Beilage 2) gebunden war.


Recht hat der Erstrichter übrigens auch darin,
dass die Einrede, die Parteien hätten sich vereinbarungs
gemäss auf ein Schiedsgericht geeinigt, nicht die Einrede
der Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern jene der
sachlichen Unzuständigkeit des Gerichtes darstelle
(siehe JM. zu § 240, Abs. 3 ZPO., sowie Jud.B. Nr. 26,
bei § 577 ZPO.).


Ferner hat der Erstrichter auch die Einrede
der örtlichen Unzuständigkeit mit Recht verworfen.
Die Ausführungen des Rekurses sind nicht geeignet,
gegenüber der unbestrittenen Klausel des § 9 des
gegenständlichen Aufführungsvertrages (Beilage E)
„Erfüllungsort: Wien“ sowie der Gesetzesbestimmung
des § 88 JN. daran zweifeln zu lassen, dass hinsicht
lich der geltend gemachten Klagsansprüche der Gerichts
stand des Erfüllungsortes Wiens vereinbart – gegeben
ist.


Aber auch im Kostenpunkte entspricht der angefochtene Beschluss dem Gesetze; denn es handelt sich angesichts
der über Parteieneinverständnis erfolgten Einschrän
kung der Verhandlung auf die geltend gemachten Einre
den um einen Indizienstreit, so dass über die Kosten des
selben gemäss den §§ 41 und 52.1 ZPO. schon vom Erstrichter zu entscheiden war. Der Rekurs hat wohl erklärt,
den erstgerichtlichen Beschluss seinem ganzen Inhalte
nach anzufechten, so dass formell auch die Entschei
dung, wonach der Einrede der rechtskräftig ent
schiedenen Streitsache keine Folge gegeben wird, als
angefochten zu gelten hat. Der Rekurs hat es aber un
terlassen, diese Anfechtung irgendwie auszuführen.


Aus diesen Gründen erweist sich der Rekurs als
durchaus unstichhältig, so dass ihm keine Folge zu ge
ben war.


Der Ausspruch über die Rekurskosten beruht auf
§§ 40, 50 ZPO.


Oberlandesgericht Wien, Abt. 1,
am 21. Dezember 1932.
Chmilevsky


1