Wien, am


An den
Vorstand der Anwaltskammer
Berlin W.35 Schöneberger Ufer 36


Namens und in Vollmacht des Verlages „Die Fackel“
in Wien III, Hintere Zollamtstrasse 3 erstatte ich hiermit
gegen den Rechtsanwalt Wenzel Goldbaum in Berlin W.8, Wilhelmstr.Nr. 52 folgende Anzeige:


Meine Mandantin hatte im vorigen Jahre einen Rechtstreit
gegen die Städtischen Bühnen A.G., Frankfurt a.M. angestrengt,
in welchem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem
Bühnenschiedsgericht, Berlin, am 2. März 1932 anberaumt war.
Der mündlichen Verhandlung wohnt als zufälliger Zuhörer
der Rechtsanwalt Goldbaum bei, der auf eine später anstehende
Sache, in der er Prozessbevollmächtigter war, wartete. Während
der Verhandlung des von meiner Mandantin angestrengten Rechtstreits
hatte sich Rechtsanwalt Goldbaum zeitweise entfernt und war in
einem Augenblick zurückgekehrt, als der Anwalt der StädtischenBühnen, Rechtsanwalt Tovote, auf das Plädoyer des Prozess
bevollmächtigten meiner Mandantin, Rechtsanwalt Dr. WillyKatz, erwiderte. Ohne die Beendigung des Plädoyers von
Rechtsanwalt Tovote abzuwarten, fiel er diesem in’s Wort
und
und rief gegen den Vorsitzenden, Landgerichtsdirektor
Dr. Weigert gewendet, der Inhaber meiner Mandantin,
der Schriftsteller Karl Kraus, sei gar nicht Mitglied
des Verbandes Deutscher-Bühnen-Schriftsteller. Die gegnerischePartei griff diesen Einwand, der eine ihr bis dahin un
bekannte Tatsache betraf, sofort auf. Hiermit aber nicht
genug, riss Dr. Goldbaum, trotz des Einspruchs von Rechts
anwalt Dr. Willy Katz und trotz wiederholter Rügen des
Landgerichtsdirektors Dr. Weigert, mehrfach das Wort an
sich und verhielt sich so, als ob er nicht als Zuhörer
der Verhandlung beiwohnte, sondern an ihr als Parteiver
treter beteiligt wäre. Die Folge seines Eingreifens war,
dass meine Mandantin die Klage zurücknahm und sie in
Wien anhängig machte, wodurch ihr ein erheblicher Zeit
verlust und materielle Unkosten entstanden sind. Davon
abgesehen und abgesehen von dem Umstand, dass Dr. Goldbaum
behauptete, die Interessen des Verbandes Deutscher-Bühnen-Schriftsteller wahrzunehmen, vollzog sich sein Eingreifen
in Formen, die durch keinen Anspruch der Wahrnehmung
irgendwelcher für berechtigt an ge zu sehende n r Interessen gedeckt
werden können. Dafür spricht, dass der Vorsitzende sich
die wiederholten Zwischenrufe und Zwischenreden des
Dr. Goldbaum mehrfach energisch verbat und ihn schliess
lich mit den Worten: „Seien Sie endlich ruhig“, zurechtwies.
Zum Beweis für die Richtigkeit der hier gegebenen Dar
stellung beziehe ich mich auf eine von der Anwaltskammer einzuholende Auskunft des Vorsitzenden


Landgerichtsdirektor Dr. Weigert, Berlin-Grunewald,
Wangenheimstrasse 12


und des


Rechtsanwalt Dr. Willy Katz, Berlin SW.68,Friedrichstrasse 204.


Das Verhalten des Herrn Dr. Goldbaum dürfte nicht unbeein
flusst von der Tatsache sein, dass er zu dem Schriftsteller
Alfred Kerr, gegen den der Inhaber meiner Mandantin eine
Reihe literarischer Polemiken geführt hat, gute Beziehungen
unterhält und diesen auch in Rechtstreitigkeiten gegenüber
Herrn Kraus als Prozessbevollmächtigter vertreten hat. Sein
Verhalten lässt die Rücksichtnahme auf die durch das Standes
interesse gebotene Zurückhaltung bei einem Rechtstreit zwischen
dritten Personen, wie auch auf die berechtigten Ansprüche der
Kollegialität gegenüber anderen Rechtsanwälten vermissen.


Hochachtungsvoll
Rechtsanwalt