Das Amtsgericht, Abt. 33. Frankfurt a.M., den 13. Oktober 1933
Gegenwärtig
Gerichtsassessor Heinrich
als Richter
Justizangestellter Stieber
als Urkundsbeamter der
Geschäftstelle
Das AmtsgerichtFrankfurt a.M., den
13.10.1933
In Sachen
Die Fackel
gegen
Stadt Frankfurt a.M.
erschien in dem zur
Beweisaufnahme bestimmten Termin:
I. seitens der Parteien
1. f.d. Kläger
niemand
2. f.d. Beklagte
Magistratsrat Dr. Altheim
II. nachbenannter – Zeuge
–
Dr. Bringezu, Frankfurt a.M.
Nachdem der Zeuge auf die
Bedeutung des Eides
hingewiesen war, wurde er
wie
folgt, vernommen:
33 E.R. 1071/33. Wenden!
Zur
Person: Ich heiße Dr. Bringezu, geb.
19.6.93,
Redakteur in Frankfurt a.M., sonst verneinend.
Zur
Sache: Der Zeuge überreichte
anliegenden schreiben u. erklärte:
Die in der Anlage
überreichte Aussage mache ich zu
meiner heutigen Aussage. Dem
Zeugen wurde seine Aussage
vorgelesen. Ihm wurde darauf
Abschrift seines Briefes vom10.11.32 vorgelegt.
v.u.g.
Der Zeuge wurde
vorschriftsmäßig vereidigt.
Der Zeuge überreichte ein
Exemplar der FrankfurterNachrichten vom 12.
Febr. 1932, enthaltend seine Kritik über das
Gastspiel Karl Kraus: Die
Unüberwindlichen.
Der Zeuge Verhöven war trotz ordnungsmäßiger
Ladung nicht erschienen.
v.u.v.
Der Zeuge Verhöven wird wegen unentschuldigten
Fernbleibens in eine
Ordnungsstrafe von 20.– RM., hilfsweise
4 Tage Haft, sowie zur
Tragung der durch sein Ausbleiben verursach
ten Kosten, verurteilt.
Neuer Termin: 27.10.33.
Zu diesem Termin wird Zeuge nochmals mit Zust. Urk.
geladen.
Abschrift.
Beilage 1 z. Protokoll v.
13.10.33.
Frankfurt a.M. den 9. Juni 1933.
zu 7 Cg 322/32.
27.
Betrifft Zeugenaussage des
Schriftleiters Dr. Otto Bringezu,
Kritikers der „Frankfurter Nachrichten“, in Sachen des Verlages„Die Fackel“, Wien, Hintere Zollamtsstrasse 3
gegen die Stadt
Frankfurt a.M. Gegenstand: Aufführung des Stückes „
Die Unüberwindlichen“ von Karl Kraus
Der Unterzeichnete,
Schriftleiter und Schauspielkritiker der
„Frankfurter Nachrichten“ Dr. Otto Bringezu hat hierzu folgendes
zu erklären: Die Aufnahme
des Schauspiels „Die
Unüberwindlichen“
von Karl Kraus bei dem Premierenpublikum im
Frankfurter Schauspielhause ist so
gewesen, wie ich in meinem – handschriftlich –
an Dr. Kronacher
damaligen Intendanten des Frankfurter
Schauspielhauses, am 10.11.32 gerichteten Briefe dargelegt habe. (An
den
genauen Wortlaut des
Schreibens kann ich mich heute nicht mehr
erinnern, weil ich keinen
Durchschlag des Briefes habe.) Meine
Kritik des Schauspiels, die
am Tage nach der Aufführung nieder
geschrieben wurde,
(erschienen in den „Frankfurter
Nachrichten“am
12.2.32, siehe Anlage), gibt im allgemeinen denselben Ein
druck wieder, den ich in den
Briefe geschildert habe. Den letzten
Anstoss zu meinem Schreiben gab ein telefonischer Anruf Dr.Kronachers (den Tag weiss ich nicht mehr genau, es muss aber
Anfang November 1932 gewesen
sein, durch den er mir mitteilte,
dass er genötigt sein werde,
das Stück wieder auf den
Spielplan
zu setzen.
Gerüchtsweise waren mir die Schwierigkeiten, die das
Schauspielhaus durch die Absetzung des Stückes hatte, schon vorher
bekannt geworden. Ich habe
damals – soweit ich mich erinnere –
auch mündlich Herrn Dr. Kronacher gegenüber kein Hehl
daraus gemacht, dass ich es,
wenn der Plan verwirklicht werden
sollte, für meine Pflicht
als Publizist und Kritiker an einer
nationalen Zeitung halten würde, mich mit aller
Entschiedenheit
in den
„Frankfurter Nachrichten“ unter Hinweis
auf die seiner
Zeit in meiner
Kritik erfolgte Ablehnung des Stückes gegen
eine
abermalige Aufnahme der „Unüberwindlichen“ in den Spielplan
des Schauspielhauses auszusprechen. Als Herr Dr. Kronacher mich
bat, ihm, wenn es mir
möglich wäre, diese meine Anschauungen über
diese Angelegenheit
brieflich mitzuteilen, habe ich nicht
gezögert es zu tun
; die Tatsachen,
die ich in dem Briefe niederlegte, entsprechen in jedem
Falle der Wahrheit. Ich
glaubte keine Veranlassung haben zu
dürfen, den Wunsch des
Intendanten Dr. Kronacher abzuschlagen,
weil auch nur eine einzige
weitere öffentliche Aufführung
des Stückes – nach meiner Auffassung – zu einer neuen
schweren
Schädigung des
Ansehens des Frankfurter Schauspielhauses
hätte
führen müssen.
1 Anlage. Dr. Otto
Bringezu m.p.