An das
Strafbezirksgericht I
Wien.
Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller in
WienIII., Hintere Zollamtsstrasse
Nr. 3,
durch:
Beschuldigter: Josef Koller, verantwortlicher Redakteur
des „Tag“ in Wien IX.,
Canisiusgasse Nr. 8–10,
wegen §§ 23/24 Pr.G.
1 fach
2 Beilagen.
Privatanklage.
In der Nummer der Tageszeitung „Der Tag“
vom 7. Mai 1929 wurde in einer Notiz „Theaterskandal in Dresden“
über die Premiere meines Stückes
„Die Unüberwindlichen“ folgende
mich betreffenden Tatsachen
unrichtig mitgeteilt:
1.) Dass dem Publikum mitgeteilt
wurde, dass CamilloCastiglione gegen die
Verwendung einer Figur, durch die er ver
körpert werden sollte,
Einspruch erhoben habe und dass diesem
Einspruch stattgegeben worden
sei;
2.) dass ein Pfeifkonzert
stattfand und Stinkbomben ge
worfen wurden;
3.) dass die Vorstellung unter
allgemeinem Lärm zu Ende
geführt
wurde.
Ich habe den Beschuldigten durch meinen
Anwalt Dr. Oskar Samek mit Schreiben vom 13. Mai 1929 aufge
fordert, diese Stellen
der Notiz zu berichtigen. Ich
schliesse
das Berichtigungsschreiben in Abschrift bei. Die Berichtigung
wurde dem
Beschuldigten am 16. Mai 1929 zugestellt. In
den
folgenden Nummern vom 17.
und 18. Mai 1929 ist die Berichtigung
nicht erschienen.
Beweis: Die Nummer des „Tag“ vom 7. Mai
1929, das
Berichtigungsschreiben vom 14. Mai 1929,
(Postrezepisse und Rückschein
werden zur
Hauptverhandlung
mitgebracht werden).
Ich stelle
durch meinen zur G.Z. 1 U 20/29
ausgewiesenen Anwalt folgende
Anträge:
1.) Anberaumung einer
Hauptverhandlung,
2.) Ladung des Beschuldigten,
3.) Verlesung des Berichtigungsschreibens und der vor
gelegten Zeitungsnummer,
4.) Bestrafung des Beschuldigten und Erkenntnis auf Ver
öffentlichung der Berichtigung.
5.) Verpflichtung des Beschuldigten und zur ungeteilten
Hand mit ihm des Herausgebers und
Eigentümers „Der Tag“ VerlagA.G., Wien IX., Canisiusgasse 8–10.