Theaterskandal in Dresden


Sehr geehrter Herr Kraus!


Bei der heutigen Verhandlung wurde der
Redakteur des „Tag“ freigesprochen und festgestellt, was von der ein
gesendeten Berichtigung zu veröffentlichen ist und zwar: der zweite
und dritte Absatz vollständig und vom ersten Absatz alles bis auf
einen Satzteil und den letzten Satz. Um Ihnen die Entscheidung, ob
man berufen soll, zu erleichtern, zitiere ich diesen ersten Absatz
und unterstreiche die wegzulassenden Stellen blau.


Sie schreiben: „Zwei Akte waren anstandslos gespielt worden,
als dem Publikum mitgeteilt wurde, dass Camillo Castiglioni
gegen die Verwendung einer Figur, durch die er verkörpert werden
sollte, Einspruch erhoben habe und dass diesem Ein
spruch stattgegeben worden sei. Ein Schauspieler
trat dann vor die Rampe und erzählte den Inhalt des dritten Aktes.“
Die Behauptung, dass dem Publikum mitgeteilt wurde, einem Einspruch
des Herrn Castiglioni sei stattgegeben worden, ist unwahr. Wahr
ist, dass einem solchen Einspruch nicht stattgegeben wurde und eine
solche Mitteilung dem Publikum nicht gemacht würde. Wahr ist, dass
dem Publikum mitgeteilt wurde, dass eine lebende Person, die sich
in einer Figur zu erkennen glaubte, die Veranstalter der Auf
führung mit der Einbringung einer einstweiligen Verfügung habe be
drohen lassen, wenn nicht jene Beziehung auf sie eliminiert würde.
Wahr ist, dass der dritte Akt schon auf die Drohung mit der Ein
bringung der einstweiligen Verfügung hin ausgelassen wurde.


Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass hier
nur zulässig sei, den Inhalt der Mitteilung zu berichtigen, nicht
aber überdies den übrigen Tatsachengehalt des falschen Berichtes.


Die Einwendung des Beschuldigten, dass Sie nicht
als „Beteiligter“ anzusehen sind, ferner, dass die Berichtigung
der Behauptung „Pfeifkonzert“ durch die Mitteilung, dass nur ein
oder zwei Personen pfiffen, unzuläßig sei, ferner, dass der Berichtigung „dass
ein Zuschauer den Namen Castiglione rief“ keiner These ent
gegenstehe, verwarf das Gericht.


Ich halte die Entscheidung für unrichtig und
werde rechtzeitig Berufung einlegen, wenn Sie mir nicht telegrafisch
absagen. Die Frist läuft am 1. Juni ab.


Mit ergebensten Grüssen
Dr. Samek