Karl Kraus: „Die Unüberwindlichen“


Abschrift!


Sehr geehrter Herr Doktor!


Der mit Ihrem Schreiben vom 28. August übermittelte
Vergleichsvorschlag des Herrn Kraus kann so leider nicht angenommen
werden. Im einzelnen erlaube ich mir dazu folgendes zu bemerken:


Die Zahlung einer Busse ist vom Gesetz an die Voraus
setzung geknüpft, dass die Beleidigung nachteilige Folgen für die Ver
mögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit
sich gebracht hat. Ich kann nicht annehmen, dass dies für Herrn Kraus
der Fall gewesen sein sollte. Deshalb kann auch im Vergleichswege von
der Zahlung einer Busse keine Rede sein.


Auch die von Herrn Kraus vorgeschlagene Erklärung kann
in dieser Form von den Hamburger Nachrichten nicht gebracht werden, da
sie tatsächliche Behauptungen enthält, die von uns nicht nachgeprüft
werden können. Im übrigen geht der übermittelte Wortlaut über den An
trag der Zivilklageschrift weit hinaus.


Da aber, was nunmehr auch die Ansicht des Herrn Kraus
zu sein scheint, auch von einer Zurücknahme einer von einem an
deren aufgestellten Behauptung durch mich oder durch Herrn Dr.Hartmeyer keine Rede sein kann, erlaube ich mir die Abschrift eines
Briefes des Herrn Dr. Albrecht an Herrn Kraus vom 26.Juli ds.Js. bei
zufügen und mit Bezugnahme darauf vorzuschlagen, dass die Hamburger Nachrichten eine Erklärung des Herrn Dr. Albrecht bringen, die dieser im
Einvernehmen mit Herrn Kraus selbst abzugeben hätte. Ich wäre bereit,
das Bedauern der Schriftleitung über den Bericht des Dr. Albrecht gleich
zeitig zum Ausdruck zu bringen.


Da ich den Bericht guten Glaubens im Vertrauen auf die
uns durch langjährige Mitarbeit in unserem eigenen Redaktionsstab ge
nügend gewährleistet erschienene Sachkenntnis des Herrn Dr. Albrecht
in Druck gegeben habe, sehe ich mich leider nicht in der Lage, weitere
Zugeständnisse zu machen.


Da der Klagantrag in der Zivilsache durch nichts ge
rechtfertigt ist, insbesondere irgendein Beweis für einen etwa entstan
denen Schaden überhaupt nicht angetreten ist, ist der Verlag der HamburgerNachrichten auch nicht gesonnen, im Vergleichswege entgegen allem Brauch
sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten zu übernehmen.


Wie Herr Dr. Albrecht uns zu dem erwähnten Briefe noch
mitteilt, ist er bisher trotz Erinnerung ohne Antwort von Herrn Kraus
geblieben. Herr Kraus scheint demnach auf jeden Fall zwei Prozesse gegen
uns führen zu wollen. Wir fürchten deren Ausgang nicht. Lediglich um
ein langjähriges Gerichtsverfahren zu vermeiden und die dafür benötigte
Zeit nutzbringend verwenden zu können, ist der Verlag der HamburgerNachrichten unter voller Wahrung seines Rechtsstandpunktes bereit, HerrnKraus zu den bereits entstandenen Spesen einen Betrag von RM 100.– bei
zusteuern, falls er mit dem oben mitgeteilten Erklärungsvorschlag ein
verstanden ist und sich verpflichtet, beide Klagen zurückzunehmen.


Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Doktor, meinen Stand
punkt Herrn Kraus übermitteln zu wollen, und sehe einer baldigen Rück
äusserung entgegen.


Hochachtungsvoll
gez. Otto Schabbel.