An das
Strafbezirksgericht IWien.
Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller in Wien III.,Hintere Zollamtsstrasse Nr.
3,
durch:
Vollmacht zu 1 U 186/29 bereits
ausgewiesen
Beschuldigter: Dr. Desiderius Papp, verantwortlicher
Schriftleiter des „Neuen Wiener Journals“
Wien I., Biberstrasse Nr. 5.
1 fach
2 Beilagen
Privatanklage.
Ich habe gegen den
verantwortlichen Schrift
leiter der „Neuen Freien Presse“
Dr. Julian
Sternberg zur G.Z.
1 U
187/29 des Strafbezirksgerichtes I in Wien und
gegen den
verantwortlichen
Schriftleiter des „Tag“ Josef Koller zur G.Z.
1 U 186/29 Berichtigungsklagen
eingebracht gehabt. Der Sach
verhalt des ersteren Prozesses war eine Ankündigung der „NeuenFreien Presse“, dass am
29. April 1929 im Wiener Konzerthaus
im Kleinen Saal ein Liederabend
stattgefunden hat, wobei ver
schwiegen worden war, dass am selben Tag im Grossen Saal eine
Vorlesung, die ich abhielt,
stattfand. Der Gegenstand des zweiten
Prozesses war ein Bericht über
einen Theaterskandal in Dresden
bei der Premiere meines Dramas
„Die Unüberwindlichen“. Die
Hauptverhandlungen in beiden
Angelegenheiten fanden am 28. Mai
1929 statt. Der verantwortliche Redakteur der „Neuen FreienPresse“ wurde von der
Anklage mit der Begründung freigesprochen,
dass die verlangte Berichtigung
den pressgesetzlichen Bestimmun
gen über das Berichtigungsrecht nicht entspricht, „weil in der
berichtigten Stelle nicht
davon die Rede ist, dass an diesem
Tage lediglich der Liederabend
Jessie King und nicht auch andere
Veranstaltungen im
Konzerthause stattfanden,“ der verantwortliche
Redakteur des „Tag“ mit der Begründung, dass zwei Punkte des
Be
richtigungsschreibens dem Pressgesetz nicht entsprechen, weil zu
einer Antithese die bezügliche
Behauptung in dem berichtigten
Aufsatz fehle, in dem berichtigten Aufsatz behauptet
wurde, dass
dem Publikum etwas
mitgeteilt wurde und nur diese Mitteilung nicht
aber der Inhalt der Mitteilung
berichtigt werden könnte und dass
in der berichtigten Mitteilung für einen Satz der Berichtigung
keine Rechtfertigung enthalten
sei.
Am 29. Mai 1929 in der Nr. 12757 veröffentlicht
das „Neue Wiener Journal“ einen Prozessbericht, in dem fälschlich
behauptet wurde, dass ich die
unentgeltliche Ankündigung meiner
Vorträge erzwingen wolle, dass der Prozess sowohl gegen den Schrift
leiter der „Neuen Freien Presse“ als auch des „Tag“ wegen der Nicht-
ankündigung meines Vortrages
geführt wurde und dass das Gericht
in beiden Fällen einen
Freispruch fällte, weil es sich um eine
bezahlte Einschaltung einer Konzertdirektion handle.
Ferner war behauptet worden,
dass der Sammeltitel, aus
dem ich
die Vollständigkeit des Berichtes geschlossen und die
Berechtigung zur Berichtigung
abgeleitet habe, „Im Konzerthaus“
gelautet hat.
Ich habe diesen Prozessbericht des „Neuen Wiener Journals“ durch meinen Anwalt mit
Berichtigungsschreiben vom 12.
Juni 1929 berichtigen lassen. Die
Berichtigung wurde dem Beschuldigten am
18. Juni 1929 zugestellt. Die Berichtigung wurde
in
den Nummern vom 19. und 20. Juni nicht veröffentlicht.
Beweis : Das Berichtigungsschreiben vom 12. Juni 1929
(Rückschein wird zur Verhandlung
mitgebracht
werden). die Nr. des „Neuen Wiener Journals“ vom
29.5.1929.
Ich stelle durch meinen zur G.Z.
1 U 20/29 aus
gewiesenen Anwalt folgende
Anträge,
1.) Anberaumung
einer Hauptverhandlung;
2.)
Ladung des Beschuldigten;
3.)
Verlesung des Berichtigungsschreibens und der vorgelegten
Zeitungsnummer;
4.) Bestrafung des Beschuldigten und
Erkenntnis auf Veröffent
lichung der Berichtigung;
5.)
Verpflichtung des Beschuldigten und zur ungeteilten Hand
mit ihm des Herausgebers und
Eigentümers des „Neuen WienerJournals“ Lippowitz & Co., vertreten durch Dr. Karl Reichl
Wien I.,Biberstrasse Nr. 5 zum
Ersatz der Verfahrenskosten.
Ich bitte, die Verhandlung
nicht
für den 2. Juli 1929
auzuberaumen.