Berliner Börsen-Zeitung


Sehr geehrter Herr Doktor,


Auf Ihren Brief vom 29. Nov. erlaube ich mir folgen
des zu antworten:


Den Hauptgrund, Herrn Dr. Pisk als „Schliaferl“ zu be
zeichnen, sehe ich darin, dass Dr. P. durch längere Zeit,
obwohl er sozialdemokratisches Parteimitglied und obwohl
er Redakteur der Arbeiterzeitung, also Parteiangestellter
ist, als Wiener Korrespondent der Berliner Börsenzeitg.
tätig war.


Die Berliner Börsenzeitung ist ein Blatt der Unterneh
mer und schwankt parteipolitisch zwischen der deutschen
Volkspartei und den Deutschnationalen. Diese Zeitung be
kämpft nicht nur aufs heftigste politisch die Arbeiter
schaft, sondern ist selbstverständlich auch in allen künst
lerischen Fragen reaktionär eingestellt. Das hinderte aber
Dr. Pisk nicht, an diesem Blatte mitzuarbeiten. Von der
Wiener Arbeiterschaft für seine Dienste Geld nehmen, zu
gleicher Zeit von den Feinden der Arbeiterschaft, den Un
ternehmern sich bezahlen zu lassen, diese Handlung müss
te mit dem Ausschluss aus der Partei und dem Herauswurf
aus der Redaktion der Arbeiterzeitung belohnt werden.


Diese Tatsache beweist einen so erstaunlichen morali
schen Tiefstand, dass sich Dr. Pisk bei Karl Kraus für die
so nachsichtige, liebenswürdig verzeihende Aeusserung
„Schliaferl“
nur bedanken dürfte.


In vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
Hanns Eisler


PS. Sie würden gut tun, sehr geehrter Herr Dr., sich
die Jahrgänge der Berl. Börsenzeitg 1926/27/28 kommen
zu lassen und geeignete Beiträge des Dr. P., wie z.B.
Bericht über die Uraufführung des Apostelspiels von
Max Mell und viele andere bei der Verhandlung vorzulesen.


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