BlaubartPariser LebenVorgelesene Operetten. Zum Offenbach-Zyklus von Karl KrausArbeiter-ZeitungPrinzessin von TrapezuntArbeiter-Zeitung, 9.6.1929Die Fackel


Geschäftszahl U 4 U 114/30


Öffentliche Hauptverhandlung.


Strafbezirksgericht I in Wien am 4.12. 1930 Beginn 12 Uhr 10


Gegenwärtig:


Richter: LGR. Wenger Schriftführer: Singer
staatsanw. Funktionär: ./.
Privatankläger: Dr. Paul Amadeus Pisk sein Vertreter: Dr. Otto Pisk
Privatbeteiligter: ./. sein Vertreter: ./.
Angeklagter (der Name folgt unten *)
Karl Kraus n.e Z.a.


Verteidiger: Dr. OskarSamek


B.


auf Durchführung der Verhandlung nach § 459 STPO.


Die Anklage wird vorgetragen. Der Angeklagte gibt über
seine persönlichen Verhältnisse
und die Anklage an:


Rekapitulation. Gemäß § 276a StPO


Zeugin Johanna Schwarz 32 Jahre, Wien
mos. l. Sängerin Wien VI. Linke Wienzeile 62
fremd zum Besch. gibt nach W.E. E.V. an:


Ich war am 7. Juni bei dem Vortrag an
wesend, „Blaubart“ wurde besprochen. Ich stand
neben dem P.A., dessen Schülerin ich bin und
hörte, wie der Beschuldigte sagte: „Ein Schlieferl
hat sich in den Saal verirrt.“ Ferner: „Es wird
Ihnen morgen ein Schlieferl erzählen, dass ich nicht
singen kann“ Ich habe gewusst, dass niemand
anderer damit gemeint sein kann, als der P.A.
weil ich wusste, dass dieser als Referent im Saal
war. Dr. Bach war nicht anwesend, auch kein anderer
Referent der Arbeiterzeitung. Niemand anderer als


der P.A. kommt als Operettenreferent in Betracht.
Der Beschuldigte wusste, von der Anwesenheit des
P.A. durch Fritz Mahler.


Auf Befragung des Verteidigers:


Der Beschuldigte hat zum Teil frei ge
sprochen und zum Teil gelesen.


Verteidiger fragt:


Haben Sie gehört, dass der Beschuldigte
sagte, „Das Schlieferl, das an einer Zusatzstrophe
Anstoss genommen hat,“


Zeugin: An diese Worte kann ich mich
nicht erinnern.


P.A.V. legt schriftliche Wahrnehmungen
der Zeugin dem Gerichte vor, geschrieben im November
1929 über Ersuchen des P.A.V.


Es wird festgestellt, dass diese
vom 10. November 1929 datiert sind und von JohannaSchwarz unterschrieben sind.


Zeuge Dr. Angelo Gropper, 31 Jahre,
Rustcuk geb, mos. verh. Arzt, IX. Währingerstrasse 33
fremd zum Besch. gibt nach W.E. E.V. an:


Ich war bei dem Vortrage am 10.
Juni anwesend. Der Beschuldigte hat sich mit dem
Artikel des P.A. auseinandergesetzt. Ich hatte dies
natürlich gelesen.


Er Der Artikel wurde auch vor dem Vortrage
verteilt. Der Name des P.A. wurde nicht genannt,
sondern es wurde nur über den Schreiber des Artikels
gesprochen. Bei der Besprechung sagte der Beschuldigte: „Das Schlieferl schreibt“ Ferner „Sollte
das Schlieferl heute Abend wieder da sein,“ und blickte
sich suchend im Saale um. Er sagte auch „Kümmerlicher
Schönberg Schüler“ im Zusammenhang mit dem Schreiber
des Artikels. „Petite, Correpetite“ wurde als Wort
spiel gebraucht. Es wurde auch von Praktiken
gesprochen. Mit den Worten „Unter diese armen Teufel“,
waren nach meiner Auffassung die Fachreferenten
im Allgemeinen gemeint.


Auf Befragen des Verteidigers:


Der Saal war verdunkelt, der Besch. hat etwas
in der Hand gehalten, und auch daraus gelesen.


Zeuge gibt ferner an:


Ich wusste, dass sich die Worte des Beschuldigten auf den P.A. beziehen, da ich dessen
Rezension in der Arbeiterzeitung gelesen hatte,
und sich der Beschuldigte vor Beginn der Offenbach-
Vorlesung damit auseinandersetzte.


Auf Frage des P.A.V.


Meine Frau hat während des Vortrages
stenographische Notizen gemacht. Wir sind vom
P.A. ersucht worden, wenn etwas im Bezug auf den
Artikel gesprochen werden sollte, das zu notieren.
Ich habe das Stenogramm meiner Gattin gelesen, gleich
nach dem Vortrage und es hat alles gestimmt.
Meine Frau hat es dann einige Tage nachher dem
P.A. gegeben.


Auf Frage des Verteidigers:


Meine Frau stenographiert sehr gut,
hat aber nicht Alles mitstenographiert, sondern
nur einzelne Sätze.


Zeugin Hertha Gropper, 29 Jahre,
Wien kfl. Private, 9. Währingerstrasse 33, fremd
zum Beschuldigten gibt nach W.E.E.V, an:


Ich war nur beim Vortrage am 10.
Juni anwesend, ich habe auf Ersuchen des P.A.
solche Bemerkungen mitstenographiert, die nicht auf den
Vortrag Bezug hatten, sondern auf die Arbeiterzeitung und
den P.A. Auf P.A. bezog sich „Schlieferl“ Da diese
Aeusserung im Zusammenhang mit der Besprechung des Artikels
des P.A. gefallen war. Schon vor Besuch des Abends
habe ich den Artikel gelesen. Er wurde auch an alle
Zuhörer verteilt. Gegen Ende des Vortrages blickte
der Beschuldigte herum und sagte „Ich weiss nicht,
ob sich das Schlieferl wieder in den Saal verirrt hat“
Ich habe auch etwas in der Art wie „Kümmerlicher Schönbergschüler“ gehört. Das Stenogramm habe ich über
tragen und dem P.A. gegeben.


P.A.V. legt die Aufzeichnungen der
Zeugin Gropper vor. Die Zeugin gibt weiter an:


Es wurde auch vom „kümmerlichen Fach
wissen“ gesprochen. Alles bezog sich auf die Kritik
des. P.A. Der Beschuldigte sagte auch: „Das ist nicht
eine Petite, sondern eine Correpetite“ Es war damals
ziemlich dunkel, deshalb konnte ich nicht Alles
stenographieren. Ich habe jedoch nichts nachträglich
ergänzt.


Auf Frage des Verteidigers:


Ich habe vor 4 Jahren stenographieren ge
lernt und in Paris berufsmässig ausgeübt.


Auf Frage des Verteidigers:


Ich habe alles in der Reihenfolge übertragen,
bis gegen Schluss, da dort ein Satz vergessen war, diesen
habe ich nachgetragen.


Zeugin gibt weiter an:


Einmal hörte ich „Schlieferl- und Tinterltum“
Der Ausdruck „Schlieferl“ wurde auch allein gebraucht.
Manches steht in der „Fackel“ nicht drinnen. Der Beschuldigte hat mehrmals im Saal herumgeblickt, ob
das „Schlieferl“ da ist.


Auf Frage des P.A.V.


Der Beschuldigte hat zum Teil
aus dem Manuskripte vorgelesen, zum Teil frei ge
sprochen, was ich daran erkannte, dass er nicht
immer hineinschaute.


Der P.A.V. beantragt den P.A. als
Zeugen über objektiven Tatbestand am
7. Juni einzuvernehmen, das Faksimile vorzulesen
zum Beweis dass der Beschuldigte Aenderungen vor
nimmt.


Der Verteidiger beantragt Verlesung
des Manuskriptes und Vergleichung mit sämtlichen
Abzügen.


B.


Die Anträge mit Ausnahme der Vernehmung des P.A-
als Zeugen werden als unerheblich prinzipiell abge
wiesen, weil das Manuskript keinen einwandfreie r n
Beweis ist dafür , über das was damals nur ausgesprochen wurde, bilden kann.


Zeuge Fritz König, 54 Jahre Wien
kfl. verh. Prokurist in Pension, 5. Hamburgerstrasse14 fremd zum Besch. gibt nach W.E.E.V. an:


Am 7. Juni 1930 bin ich erst später
gekommen, um ½10 Uhr. Ich habe nachher gehört,
dass der Ausdruck „Schlieferl“ gefallen sei.
Am 10. Juni war ich von Anfang an dort. Es hat
sich Alles genau so abgespielt, wie es in der
Fackel“ geschildert ist. Vor Beginn des Vortrages
wurde das Blatt mit der Rezension verteilt. Anknüpfend
an den Artikel sind die Worte „Schlieferl und Tinterl
praktiken“ gefallen, „Schlieferl“ ist ein Schlag
wort des Beschuldigten, das man in jedem Vortrag hören
kann. Ich habe auch „Correpetite“ gehört. Das Publikum
hat darüber sehr gelacht, weil es als Wortspiel
mit „Petite“ gebraucht wurde. Für die Hörer
des 10. Juni war es klar, dass sich die Aeusserungen
auf ein System bezogen, nicht auf eine Person.
„Kümmerlicher Schönbergschüler“ ist vorgekommen. In
diesem Falle war es ohne Zweifel, auf den P.A. bezogen.


Auf Frage des P.A.V.


Ich kenne den P.A. nicht, ich weiss nichts
von ihm, da ich Rezensionen nicht lese.


Ich wusste auch nicht, dass er „Correpetitor“
ist.


Zeuge W. Hoffmann, 37 Jahre, Baden, mos,
verh, Kaufmann, I. Wollzeile 31, fremd zum Besch. gibt
nach W.E.E.V. an:


Ich war bei den Vorträgen am 7. und am
10. Juni anwesend. Am 7. Juni habe ich „Schlieferl“
gehört, aber nicht im inkriminierten Zusammenhang,
sondern ich glaube, in einem Couplet. Ich weiss auch
nicht, ob eine bestimmte Person damit gemeint war.
Am 10. Juni wurde die „Arbeiterzeitung“ verteilt. Der
Beschuldigte hat darauf hingewiesen, dass in den Rezensionen
die Bezeichnung der Arbeiterzeitung als „Krupnik-
Organ“ beleidigend, empfunden wurde und zufällig
war eine „Krupnik-Reklam“ ziemlich gross und
deutlich neben der Rezension sichtbar. „Das Schlieferl
schreibt weiter“ habe ich nicht gehört. An „Petite
und Correpetite, armseliges Fachwissen, Schlieferl- und
Tinterlpraktiken“ kann ich mich nicht erinnern.
Ich habe den Vortrag 1¾ Monate nachher in der
Fackel gelesen und fand Alles enthalten, nichts ausge
lassen.


Auf Frage des P.A.V.


Ich kenne den Beschuldigten nicht
persönlich, lese aber seit 20 Jahren seine Werke.
Mit „Schlieferl“ pflegt er eine gewisse journalistische
Klasse zu bezeichnen.


Zeuge Jakob Heliczer, 28 Jahre, Wien
mos. verh. Versicherungsbeamter, 13. Linzerstrasse 272
fremd gibt nach W.E.E.V. an:


Ich war bei beiden Vorträgen anwesend.
Der Beschuldigte hat den Ausdruck „Schlieferl“
als Bezeichnung eines gewissen Typus gebraucht,
er sagte am 7. Juni, „Ein Schlieferl hat sich in den
Saal verirrt.“ Am 10. Juni wurde von „Schlieferltum“
gesprochen nicht von „Schlieferl“ „Das Schlieferl schreibt“
hat es nicht geheissen. Ich habe etwas gehört,
im Zusammenhang mit „Schülern Schönbergs
Ich habe nachher die Fackel gelesen, und den
Eindruck gehabt, dass wie immer, Alles drinn gestanden
ist. Der Beschuldigte hat aus dem Manuskript vorgelesen
ich glaube er hat immer hineingesehen. Ich weiss
nichts davon, dass er jemand im Saal gesucht hat


Zeugin Grete Klopstock, 44 Jahre Budapest
mos. verh. Rechtsanwaltsgehilfin, IV. Schelleingasse23 fremd nach W.E.E.V. an:


Ich war nur bei dem Vortrag am 10.
Juni. Der Beschuldigte beschäftigte sich mit der
Kritik des Dr. Pisk. Ich habe auch ein Exemplar bekommen.
Er hat die Kritik zerlegt und gesagt, dass er
nicht begreifen kann, wie jemand, der seinen Vortrag
gehört, in dieser Art darüber schreiben könne.
Er hat im Allgemeinen darüber gesprochen, wie die
Journalisten ihren Beruf ausüben, hat vom „armseli
gen Fachwissen“ gesprochen und von „Schlieferltum
und Tinterlpraktiken“ als Typus. Ich hatte den
Eindruck, dass er kennzeichnen wollte, was heute in
der Zeitung geschrieben wird. Er hat von „Petite
und Correpetite“ gesprochen, nach meiner Meinung
in dem Sinne, dass er sich nicht von jemand verbessern
lässt, der nicht mehr versteht als er. Dass der P.A.
Correpetitor ist, war mir nicht bekannt. Auf Frage
des P.A.V.


Ich habe nachher im August die „Fackel
gelesen, sie war wörtlich übereinstimmend, was ich
deshalb weiss, da ich damals den Vortrag noch in Erinnerung
hatte. Ich halte es für unmöglich, dass im
Druck Worte weggelassen worden sind. Ich hörte
auch den Ausdruck „Schönberg Schüler“ aber nicht
„kümmerlicher“.


Auf Frage des Verteidigers:


Der Beschuldigte hat ein Manuskript vor
sich gehabt, aber nicht die ganze Zeit hineingesehen.
Es ist seine Gewohnheit, zeitweise vom Manuskript wegzu
schauen.


Auf Frage des P.A.V.


Er ist nicht aufgestanden und hat auch
nicht in den Saal visiert.


Zeuge Prof. Dr. Karl Jaray, 52 Jahre,
Wien rk. verh. Architekt 19. Langackergasse 22
fremd gibt nach W.E.E.V. an:


Ich war an 10. und 7. Juni anwesend. Ich
habe mir alles gemerkt. Am 7. Juni bei der Blaubartvorlesung sagte er, in der Ansprache des
Grafen Oskar an die Höflinge: „Ein Vertreter des
Zentralorganes, ein Schlieferl, hat sich in den Saal
verirrt, jetzt werden die Informationen des Blattes
anders klingen, jetzt wird es heissen, ich bin
schuld, ich kann nicht singen.“ Ich dachte mir,
ein Journalist der Arbeiterzeitung sei damit gemeint,
ich wusste aber nicht, ob da mehrere in Betracht
kommen. Am 10. Juni wurden Exemplare der
Arbeiterzeitung verteilt und der Beschuldigte befasste
sich in Ansprache „Bekenntnis zum Tage“
mit dem Artikel des P.A. In dieser Ansprache wurde
der Ausdruck „Schlieferl“ gebraucht. Der Beschuldigte sprach von einem Vertreter des „Schliefergeistes“
„Der Schlieferl schreibt“ hat er nicht gesagt.
Er sagte „Ich habe nicht ein ‚Schlieferl‘ gemeint
das in der Blaubartvorlesung anwesend war, sondern
an der Vorlesung ‚Pariser Leben‘“ und dass er an der
Bezeichnung der Arbeiterzeitung als Krupnik-Organ
Anstoss genommen hat. Er hat nicht den bestimmten
„Schlieferl“ gemeint, sondern einen Vertreter
des „Schliferlgeistes“. Er hat nichtgesagt, „Das
Schlieferl“ sondern „ein Schlieferl“. In den vielen
Jahren, da ich die Vorlesungen des Beschuldigten
höre, waren die Vorträge niemals anders in der „Fackel
angedruckt, als er sie wirklich gehalten hat.


Auf Frage des P.A.V.


„Petite und Correpetite“ habe ich gehört,
es ist aber bestimmt nicht vorgekommen, dass der Beschuldigte in den Saal visierte und sagte: „Ich weiss nicht,
ob das Schlieferl nicht wieder da ist.“


Auf die Frage des Verteidigers, ob der
Beschuldigte den Artikel vorgelesen habe,


„Nein er hat darüber gesprochen. Er ist
in den Saal gekommen, die Musik hat begonnen mit den
letzten Takten der ‚Prinzessin von Trapezunt‘. Der
Beschuldigte sang die letzte Strophe mit ‚verklungen
und vertan‘ und sagte, ‚so schloss die Trapezunt-feier‘
Dann sprach er über den Artikel. Ich habe den Artikel
damals zum 1. Male in die Hand bekommen. Der Name des
Verfassers war mit unbekannt, ich habe ihn auch nicht
weiter beachtet.“


Zeuge Dr. Glück, 31 Jahre, Wien ev. A.B.
verh. Privatbeamter, III. Hauptstrasse 140, fremd
zum Beschuldigten nach W.E.E.V. an:


Ich war am 7. und 10. Juni anwesend.
Ich habe alles genau so gehört, wie es dann in der
Fackel“ gestanden ist, ich habe nicht das Geringste
vermisst. „Dieser Mann, ein kümmerlicher Schönbergschüler
schreibt“ habe ich nicht gehört. In welchem Zusammenhang
Schönberg-Schüler“ gefallen ist, weiss ich nicht.


Auf Vorhalt von Seite 79 der „Fackel


Ich glaube, dass es so geheissen hat.
„Das Schlieferl welches gegen mich wirkt“ habe ich
nicht gehört.


Der Verteidiger will die Verteidigung
niederlegen und beantragt ihn als Zeugen einzuvernehmen,
darüber, dass das Manuskript mit dem Vortrage stets
identisch ist, ferner Vertagung der Verhandlung für
die Bestellung eines neuen Verteidigers.


Der P.A.V. spricht sich dagegen aus.


B.


Anträge werden als unerheblich abgewiesen.


Zeuge Fritz Stein 23 Jahre mos. l.
Handelsangestellter, VI. Schmalzhofgasse 6 fremd
zum Besch. gibt nach W.E.E.V. an:


Ich war am 10. und 7. Juni anwesend.
Am 10. Juni hat der Beschuldigte aus seinem Manus
kript vorgelesen, nicht frei gesprochen. Am 7.
Juni hat er eine Zusatzsstrophe gesungen, und dann
gesagt: „Ein Vertreter des Zentralorganes, ein Schlieferl
hat sich in den Saal verirrt.“ Ich glaube, er hatte
keine bestimmten Vertreter, der Arbeiterzeitung im
Auge.


Ich dachte mir aber, dass einer da sei.
Am 10. Juni hat der Beschuldigte den Artikel des
P.A. besprochen, hat ihn kritisiert und hingestellt,
nicht als Ausdruck einer Kritik sondern als Nach
trägliche Feststellung eines vorherigen Beschlossenen. von etwas, was schon vorher beschlossen war.
Einmal ist der Ausdruck „Schlieferl“ gefallen in dem
Zusammenhange, dass jeder der die Klagelegitimation
beibringen kann, ihn wegen des Ausdruckes „Schlieferl“
klagen kann. Er sagte dann: „Petites lasse ich mir
nicht gefallen – Correpetite muss ich ablehnen.“


P.A.V. gibt an:


Bei der letzten Verhandlung wurde nicht
richtig protokolliert, dass der Beschuldigte zugibt,
den P.A. gemeint zu haben – Es ist dort davon die
Rede, dass er sich nicht mit der Person des P.A.
beschäftigt habe, dass es sich nicht um eine bestimmte
Person handle, sondern um den Kampf gegen die
Arbeiterzeitung und dass er erfahren habe, dass die
Arbeiter Zeitung ihren Standpunkt Offenbach sei ver
klungen und vertan, aufgebe, und eine Richtung in
der Art eingeschlagen habe, dass der Beschuldigte nicht
singen könne.


Verteidiger:


Ich will nicht behaupten, dass der
P.A. nicht gemeint war, es konnte auch der P.A.
sich betroffen fühlen. Er war aber nicht erkennbar.


P.A. als Zeuge. Dr. Paul Amadeus Pisk
38 Jahre, Wien ev. A.B. verh. Musikkritiker der
Arbeiterzeitung, Wien IV. Schleifmühlgasse 19 fremd
zum Besch. nach W.E.E.V. gibt an:


Ich war am 7. Juni bei dem Vortrage
anwesend. Ich glaube der Beschuldigte hat mich gesehen.
Er sagt: „Ein Schlieferl, Vertreter des Zentralorganes
hat sich in den Saal verirrt, das an einer Zusatzstrophe
Anstoss genommen hat“ Kein anderer Musikkritiker der
Arbeiterzeitung war anwesend. Die Aeusserung musste
sich auf mich bezogen haben, ich war bei allen
vorherigen Vorträgen anwesend. Fritz Mahler hat mich
in meiner Wohnung besucht und von einer Aufführung
von Werken von mir gesprochen, was ich aber ablehnte.
Er fragte mich „Wie gefällt Ihnen Karl Kraus?“
Ich sagte: „Literarisch schon. Aber musikalisch
nicht.“ Am nächsten Tage machte der Beschuldigte
die inkriminierten Aeusserungen, daher wusste ich,
dass ich gemeint war. Schon vor dem 7. Juni war
eine Zusatzstrophe Gegenstand einer
Erörterung. Der Beschuldigte hat schon früher in
aktuellen Zusatzstrophen Mitglieder der Sozialdemokra
tischen Partei verhöhnt, worüber ich mich aufgehalten
habe. Ich weiss nicht bestimmt, dass Mahler
den Beschuldigten meine Aeusserung mitgeteilt
hat. Einen Tag nach dem Erscheinen meines Artikels
bekam ich einen Brief von Mahler, worin er bedauerte,
dass ich mit meiner Ansicht im Widerspruch zu den
Schönbergschülern und Anhängern des Beschuldigten
stehe. Seit Oktober 1921 schreibe ich Musikreferate
und es ist allgemein bekannt, dass ich für Operetten
referate in der Arbeiterzeitung allein zuständig bin.
Der Beschuldigte musste wissen, dass ich Correpetitor
bin, da ich 1925 selbst mit ihm correpetiert habe.
Verteidiger beantragt zum Wahrheitsbeweis:


Unter „Schlieferltum“ ist zu verstehen,
dass der P.A. nicht aus sachlichen Gründen sondern aus
Liebedienerei für die Arbeiterzeitung gegen Kraus
polemisiert.


Antrag des Verteidigers:
auf Vorlesung der „Fackel“ vom Oktober 1929
über die Wohnbaukantate.
der Zeitungsartikel die vorgelegt wurden als
Zeichen des „Schlieferltums“, dass ein organisierter
Sozialdemokrat Mitarbeiter einer Berliner BörsenZeitung ist, die auf der äussersten Rechten steht
und gegen die Sozialdemokraten auftritt.
Zur Beurteilung dieser Zeitung werden einige
Exemplare vorgelegt.


Antrag
auf Verlesung einiger Artikel die die Stellung
des Beschuldigten zu Offenbach behandeln,
ihn als Erneuerer und Wiederbeleber bezeichnen.


Antrag auf Vernehmung des Dr.
Flesch als Zeugen, welcher weiss, dass der Beschuldigte imstande ist, Offenbach einzustudieren.


P.A.V. beantragt sowohl diese
Anträge als auch Wahrheitsbeweis abzulehnen.


Er beantragt den P.A. einzuvernehmen, darüber
ob er einen Auftrag zu der Kritik erhalten hat.
Er gibt ferner an, dass die Berliner Börsezeitung
ein unpolitisches Privatunternehmen sei, das sowohl
dort als auch bei der Arbeiterzeitung bekannt sei,
dass der P.A. an beiden Zeitungen mitarbeite.


Der P.A. ist ausübender Musiker und hat
entsprechendes Wissen um Darbietungen zu beur
teilen. Es war dies eine reine Fachkritik ohne
Zusammenhang mit Politik.


Verteidiger gibt an:


In der P.A. selbst steht, dass der
P.A. sich über Auftrag des Blattes, Karten zu den
Vorlesungen genommen hat. Das hatte den Sinn,
die Blamage der Arbeiterzeitung auszuwetzen.
Geplant war, gegen Kraus und für Offenbach zu
schreiben, nicht um den Beschuldigten zu kri
tisieren, wurde dieser Artikel geschrieben.


Der P.A. ist damit nur einem Auftrage nachge
kommen, daher war der Beschuldigte berechtigt,
diese Art ein „Schlieferltum“ zu nennen.


Es wird festgestellt, aus den vorgelegten
Zeitungsartikeln, dass die Börsenzeitung kein
sozialdemokratisches Blatt sein kann, da sich dies schon aus
einigen Titeln ergibt.


P.A.V. gibt an:


Es wurde nur behauptet, dass d ie as
Schreib ung en des Artikels in keinem Zusammenhang mit der
Parteileitung und Blattleitung gestanden ist.
Eine Weisung von Seiten des Blattes gebe ich zu,
aber keinen Einfluss auf die Art der Abfassung des Artikels.


Auf die Frage des Verteidigers an den
P.A. gibt dieser an:


Niemand persönlich hat mir Auftrag
gegeben, sondern ich habe gefragt, ob Offenbach zu
besprechen sei und da wurde mir mitgeteilt,
ich solle dies tun.


Der P.A.V. will beweisen, dass
die Berliner Börsezeitung unpolitisch sei und auch
sozialdemokratische Mitarbeiter habe.


B.


auf Ablehnung sämtlicher Anträge, da sie nicht geeig
net sind, den Wahrheitsbeweis der inkriminierten
Aeusserungen zu erbringen.


Schluss des Beweisverfahrens.


Der P.A. beantragt die Bestrafung
des Beschuldigten.


Der Richter verkündet das Urteil.


Nach der Rechtsmittelbelehrung er
klärt der Verteidiger, Bedenkzeit vorzubehalten er werde für Kraus das Urteil übernehmen .


Der. P.A. gibt keine Erklärung ab


Ende 14 Uhr 20
[Unterschrift] [Unterschrift]