Abschrift eines Briefes von
Dr. Fleischer, Berlin
an Anton Schroll & Co. vom 7.IX.31
Altenberg. Bei Fischer bin ich heute gewesen und habe sehr
lange und ausführlich mit Herrn
Fischer selbst gesprochen. Er
ist nicht im mindesten geneigt,
noch weiter entgegenzukommen
und
verweist immer wieder darauf, dass er von Anfang an seine
Zustimmung nur zu einer Auswahl
von etwa 400 Seiten gegeben
habe.
Ein Band von etwa 600 Seiten, so erklärt
er mir, müsse
das Werk Altenbergs vollständig „ausquetschen“ – und er habe
keine Lust, sich seine
Verlagsrechte auf diese Weise schmälern
zu lassen. Die propagandistische
Wirkung für den Absatz könne
er
bei der gegenwärtigen Situation des Büchermarktes nicht sehr
hoch einschätzen, umsoweniger als
eben der von Herrn Kraus ge
plante umfangreiche Band viel zu viel von dem bringen
müsste,
was das Publikum noch
interessiert. Ein so umfassendes Buch sei
ihm auch deshalb unsympathisch,
weil es unmöglich den billigen
Preis haben könnte, der ihn allein dazu bestimmt hätte, seiner
zeit die Erlaubnis zur Herausgabe
in einem andern Verlag
prinzipiell zu erteilen. Herr Kraus habe überdies bis heute
noch nicht der zeitlichen
Begrenzung zugestimmt, die Fischer
für die Uebertragung des
Verlagsrechts festgesetzt haben will:
auf Lebensdauer des Herrn Karl Kraus,
mindestens aber auf 10 Jahre.
Die Originaldurchschrift des
Briefes vom 17. Juli 1928 hat
Herr Fischer aus dem Archiv ausheben lassen und mir vorgelegt.
Sie trägt alle Kennzeichen
dafür, dass es sich wirklich um die
Durchschrift eines vor
Jahren abgeschickten Briefes handelt.
Sollte dieser Brief also Herrn Kraus nicht
erreicht haben, dann
müsste
es sich um einen jener merkwürdigen Zufälle handeln, die
wichtige Briefe
verlorengehen lassen, während Millionen anderer
richtig ans Ziel gelangen.
Auf keinen Fall würde dieser unangenehme
Zufall in einem Rechtsstreit
irgendwelche Bedeutung haben können.
Herr Fischer wiederholte mir zum Schluss unserer langen
Unterredung, dass er sehr
bedaure, nicht weiter gehen zu können,
und dass das Buch also nur erscheinen dürfe, wenn
es den vom
Verlag
Fischer gestellten Bedingungen bezüglich des Umfangs
entspreche, und wenn auch
die Frist nach seinen Zugeständnissen
festgelegt worden ist.
Es tut mir leid, dass ich
Ihnen nichts anderes berichten
kann. Unter uns muss ich selbst sagen, dass auch mir eine Auswahl
von 800 Seiten viel zu
umfangreich scheint und zwar nicht nur,
weil sie die Rechte des
Originalverlegers sehr beeinträchtigen
müsste, sondern auch unter
Berücksichtigung des Zwecks: ich bin
der Meinung, dass auch hier
weniger mehr bedeuten könnte. Aber
danach bin ich nicht gefragt
– entschuldigen Sie.