Vorlesung von Karl KrausArbeiter-Zeitung, 5.12.1930Ehrenbeleidigungsklage gegen Karl KrausDie Fackel


Im Vollmachtsnamen des Herrn KarlKraus verlange ich die Aufnahme der Berichtigung der in
Ihrer Nummer 334 vom 5. Dezember 1930 mitgeteilten meinen Mandanten betreffenden unrichtigen Tatsachen gemäss § 23 Pr.G.


Sie schreiben in der Gerichtssaalrubrik
Ehrenbeleidigungsklage gegen Karl Kraus: „Wieder bezeichnete
er ihn (Dr. Pisk) als ‚Schlieferl‘“. Dies ist unwahr. Wahr ist,
dass bei der Vorlesung am 10. Juni 1929 das Wort „Schlieferl“
zur Bezeichnung des Privatanklägers nicht verwendet wurde.


Sie schreiben: „Fast anderthalb Jahre
konnte sie (die Verhandlung), infolge steter Vertagungsanträge
des Verteidigers des Geklagten, nicht stattfinden.“ Dies ist
unwahr. Wahr ist, dass von Seiten der Verteidigung lediglich
ein einziger Vertagungsantrag am 5. März 1930 eingebracht wurde.
Wahr ist, dass die Verhandlung nicht früher stattfinden konnte,
weil Karl Kraus immer wieder zur Inszenierung von Offenbach-Auf
führungen im Berliner Rundfunk und zu Offenbach Vorträgen ins
Ausland reisen musste.


Sie schreiben: „Dieser Verteidiger hatte
sich auch für die Verhandlung eine erstaunliche Taktik zugelegt.
Einesteils sollte mit den Schimpfworten Pisk gar nicht gemeint
worden sein.“ Es ist unwahr, dass der Verteidiger vorgebracht
hat, dass Pisk mit den Beleidigungen nicht gemeint sei. Wahr
ist, dass der Verteidiger laut dem nunmehr vorliegenden Protokoll
folgendes vorbrachte: „Ich will nicht behaupten, dass der Privatankläger nicht gemeint war, es konnte auch der Privatankläger
sich getroffen fühlen. Er war aber nicht erkennbar.“


Sie schreiben: „Zum Erweis, dass Pisk
nicht gemeint worden sei, marschierte eine Reihe von Zeugen auf,
die bestätigen sollten, dass Kraus das, was er gesagt, nicht ge
sagt habe.“ Diese Behauptung ist unwahr. Die von der Verteidigung
geführten Zeugen sollten bestätigen, dass nicht die von der Privat
anklage behaupteten Worte gebraucht wurden, sondern eben die, die
in der Fackel abgedruckt waren.


Sie schreiben, dass der Verteidiger einen
Wahrheitsbeweis anbot: „Pisk hätte auch Musikkritiken für ein
Berliner bürgerliches Blatt geschrieben“. Dies ist unwahr. Wahr
ist, dass der Verteidiger laut dem nunmehr vorliegenden Protokoll
einen Wahrheitsbeweis angeboten hat: dass Pisk „als organisierter
Sozialdemokrat Mitarbeiter der Berliner Börsen-Zeitung ist, die
auf der äussersten Rechten steht und gegen die Sozialdemokraten
auftritt.“


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