La Périchole


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Hochgeehrter Herr!


Mit dem besten Dank für Ihre freundliche Nachricht
möchte ich Sie bitten, das folgende zu berücksichtigen. Herr
Karl Kraus hat einen nach seinem wie meinem Dafürhalten klaren
Rechtsanspruch an die Berliner Staatstheaterverwaltung wegen der
vertraglich abgemachten Wortregie für „Perichole“. Ganz unabhän
gig davon äußerte, wie Sie, hochgeehrter Herr, mitteilten, der
Herr Generalintendant den Wunsch, über die Vorfälle, die sich ge
legentlich der Einstudierung abgespielt haben, informiert zu wer
den. Die beiden Angelegenheiten hängen insofern zusammen, als die
Bestreitung des Anspruchs eben von einer Seite ausging, über de
ren Glaubwürdigkeit jener Bericht Auskunft gibt, den der HerrGeneralintendant zu erhalten wünschte. Herr Karl Kraus hatte sei
nerzeit keine Veranlassung zu einer direkten Beschwerde, da das
ihm drohende Übel rechtswidriger Streichungen abgewendet werden
konnte. Er war aber gern bereit, dem Herrn Generalintendanten
die von ihm gewünschte umfassende Auskunft über jene Vorfälle
und damit auch über die Glaubwürdigkeit der Faktoren zu erteilen,
die die Generalintendanz vielfach falsch informiert haben. Da die
Zusammenkunft wegen Verhinderung des Herrn Generalintendanten
nicht stattfinden konnte, wurde einverständlich beschlossen, eine
schriftliche Darstellung der Vorfälle zu geben. Dieser nicht we
nig mühevollen und zeitraubenden Arbeit hat sich Herr Karl Kraus
unterzogen und ich habe die schriftliche Darstellung am 19.VI.
an Sie, hochgeehrter Herr, verabredetermaßen abgehen lassen.
Wenn Sie nun mitteilen, daß Sie erst eine geeignete Gelegenheit
abwarten wollen, um dem Herrn Generalintendanten jene Darstellung
zu überreichen, so ist zu befürchten, daß der oben erwähnte
Rechtsanspruch, wenngleich er gewiß nicht veralten kann, insofern
alteriert wird, als manche Aussagen, auf die es in einem etwaigen
Verfahren ankommen würde, nicht mehr mit der erforderlichen Un
mittelbarkeit der Erinnerung abgegeben werden könnten, weil eben
manche Momente natürlicher Weise in Vergessenheit geraten. Ich
möchte Sie deshalb ersuchen, die Gelegenheit, dem Herrn Generalintendanten die Informationen zu übermitteln, die er ja doch ge
wünscht hat und die vielleicht eine weitere juristische Verfol
gung der Sache ganz im Sinne des letzten Schreibens der Generalintendanz überflüssig machen würden, so bald als nur möglich her
beizuführen. Dabei setze ich selbstverständlich voraus, daß der
Herr Generalintendant noch heute das Interesse und den Wunsch hat,
die Informationen entgegenzunehmen, was allerdings der getroffe
nen Vereinbarung entsprechen würde. Sollte aber irgendein Grund
bestehen, der Sie, hochgeehrter Herr, zunächst verhindert, dem
Herrn Generalintendanten das Schriftstück zu überreichen, dann
erbitte ich Ihre gf. baldige Nachricht, damit entweder eine di
rekte Anfrage bei der Generalintendanz Aufklärung bringt, ob
dort noch ein Interesse für die seinerzeit erbetene Auskunft be
steht – wenn nicht, wäre die aufgewandte Mühe gewiß bedauerlich –,
und ob die direkte Übermittlung des Schriftstücks an den HerrnGeneralintendanten erwünscht ist; oder damit die Möglichkeit
geschaffen wird, den aufrechterhaltenen Rechtsanspruch weiter zu
verfolgen.


Mit dem besten Dank im Voraus und mit dem Ausdruck der
vorzüglichsten Hochachtung


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