16 Cg 552/51
14
An das
Landesgericht für ZRS.,WIEN.
Klagende Partei: Lothar Rübelt, Photograph
in Wien, I.,Wollzeile Nr.14.
Durch: Wächter
Beklagte Partei: Karl Kraus, Eigentümer, Herausgeber und
verantwortlicher Redakteur
d. Zeitschrift
„Die Fackel“
Wien, III., Hintere Zollmatsstraße 3.
Durch: Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt in
Wien, I.
Wegen: Verletzung des
Urheberrechtes
(Streitwert 2.000 S)
REVISIONSSCHRIFT DER KLAGENDEN PARTEI!
Ich erhebe durch meinen
bereits ausgewiesenen Vertreter
gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien
vom 2. März 1932,
16
Cg 552/31/13 in offener Frist
Revision
an den Obersten Gerichtshof.
Das Urteil wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten.
Als Revisionsgrund mache ich
unrichtige rechtliche Beurtei
lung der Streitsache geltend.
Ich stelle den
Revisions-Antrag
auf Abänderung des
angefochtenen Urteiles unter Stattgebung
der Klage im Sinne des Klagebegehrens sowie auf Verfällung
der beklagten Partei in die
Kosten der drei Instanzen.
Revisionsgründe:
Das Landesgericht für ZRS. hat als im vorliegenden Fall
entscheidende I. Instanz die
sämtlichen von der beklagtenPartei gegen mein Klagebegehren erhobenen Einwände für recht
lich unerheblich
erklärt. Das angefochtene Urteil stimmt in
seiner Begründung mit der Rechtsansicht des Erstgerichtes,
was
die Mehrzahl der Einwendungen betrifft, überein, kommt
aber schließlich zu einer
anderen Entscheidung und zwar le
diglich unter
Bezugnahme auf § 34 Z. 4 im Zusammenhang mit
§ 36 U.R.G. Es wird daher in vorliegender Revision lediglich
zu diesem, von der
Berufungsinstanz entgegen dem Ersturteil
eingenommenen Rechtsstandpunkt Stellung genommen.
Das angefochtene Urteil meint, daß die Aufnahme des von
mir geschaffenen und unter
meinem Urheberrecht stehenden
photographischen Bildes in den Artikel des Beklagten
keine
Verletzung meines
Rechtes bedeute, da das Bild „bloß zur
Erläuterung des
Textes“ in das Schriftwerk
Aufnahme gefunden
habe.
Diese Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes ist irrig.
Es mögen die Ausführungen
auf Seite 8 des angefochtenen
Urteiles zutreffen und der Artikel „Rothschild muß sich
einschränken“ aus, nach einem einheitlichen
Gesichtspunkte aus,
gruppierten Zitaten dritter Zeitungen bestehen, in welche das vor
liegende Bild
organisch eingepaßt erscheint; es mag auch zutreffen,
daß im vorliegenden Falle
das Schriftwerk als die Hauptsache er
scheint. Es mag
weiter zugegeben werden, daß die Aufnahme des Bildes
den Artikel „anschaulicher“ mache. – Diese sämtlichen Tatsachen
genügen für die Anwendung
des § 34 Z. 4 URG. nicht und sind für die
nach dem Wortlaut und Sinn
des Gesetzes entscheidende Frage, ob
nämlich die Aufnahme des
Bildes bloß zur Erläuterung
des Textes
erfolgte, belanglos.
Daß sich das Bild nach
Anschauung des Berufungsgerichtes selbst
als ein Zitat darstellt, ist gleichfalls
unbeachtlich, da vorliegend
nicht das Recht des Zitates im Sinne des § 25 Z. 2 URG. zur Diskus
sion steht,
welches Recht im Hinblick auf § 36 URG. auch nach An
sicht des Berufungsgerichtes hier nicht in Frage kommt, sondern
lediglich das Recht der
„Erläuterung“ im Sinne des § 34 Z. 4
Grundsätzlich ist zur
Auslegung der entscheidenden Worte des
§ 34 Z. 4: „bloß zur Erläuterung des Textes“
folgendes fest
zuhalten:
Ein fundamentaler Grundsatz
der Österreichischen Gesetzgebung
ist die Anerkennung des Eigentumsrechtes; der Schutz der eigenen
geistigen und manuellen
Arbeit und des Produktes dieser Arbeit
vor dem Zugriff Fremder
an dieser Arbeit nicht Beteiligter.
Dieser Grundsatz wird nur in
ganz besonderen Ausnahmsfällen
durchbrochen, wenn das Interesse der Allgemeinheit, das Interesse
des einzelnen Bürgers
übersteigt. Es darf die Arbeit eines Dritten
nur dann von dem daran
Unbeteiligten ausgenützt werden, wenn dies
im Interesse der
Allgemeinheit notwendig, bzw. erforderlich ist.
Dieser Grundsatz gilt auch
im österreichischen Urheberrecht,
das ja gerade zum Schutze
des geistigen, künstlerischen und ma
nuellen Arbeit
des Einzelnen geschaffen wurde. Auch hier werden
diese Schutzbestimmungen nur
dann durchbrochen, wenn dies im
Sinne des allgemeinen
Interesses notwendig und erforderlich ist.
Nur in diesem Sinne wird im
§ 34 Z. 4 URG. eine Durchbrechung
des Schutzes der geistigen
Arbeit zugelassen, indem die Aufnahme
von Nachbildungen
erschienener Werke einen Eingriff in das
Urheberrecht des Schöpfers
dieses Werkes nicht bedeutet, wenn
die Aufnahme: „bloß zur Erläuterung des Textes“
erfolgte. –
Die Textierung dieser
Gesetzesstelle und die Aufnahme des
Wörtchens „bloß“ kennzeichnet ganz besonders die einschränkende
Absicht des Gesetzgebers.
Hinzu kommt und muß
hier gleichfalls ausdrücklich festgehalten
werden, daß das
Urheberrechts-Gesetz als Spezialgesetz keinesfalls
ausdehnend interpretiert
werden darf, daß vielmehr darin enthaltene
Durchbrechungen des
allgemeinen Grundsatzes auf Schutz des Eigen
tums nur einengend zu interpretieren sind.
Entscheidend ist sohin die
Auslegung des Wortes „Erläuterung“,
welche bloß die Aufnahme der Nachbildung rechtfertigen kann.
Als „Erläuterung“ kann aber nicht das „anschaulichmachen“
gelten, wie es das
angefochtene Urteil auf Seite 9 vermeint, ins
besondere dann
nicht, wenn das Wort Erläuterung strenge auszulegen
ist, wie dies nach dem
Vorausgeführten zweifellos der Fall ist.
Die gegenständliche, in den an sich nicht sehr
zugkräftigen
Artikel der „Fackel“ aufgenommene Aufnahme bedeutet zweifellos
eine Ausschmückung, eine Verschönerung und eine
Belebung des Artikels. Die wohl gelungene Aufnahme des mißvergnügten Geldmannes
bedeutet zweifellos ein
Schmackhaftmachen des zähen Literaten
produktes; ja die
Aufnahme und der Inhalt des Artikels
rechtfer
tigen
die hiemit ausgesprochene Annahme, daß die beklagte Partei
erst bei Ansichtigwerden
dieses trefflichen Bildes und wohlgelun
genen
photographischen Schnappschusses auf den Gedanken kam, Ex
zerpte aus
anderen Zeitungen um dieses Bild zu sammeln und damit
seine nicht sehr begehrte Zeitschrift zu beleben. Das, was Mager
auf Seite 1434 des Kommentars von Altmann zitiert, daß nämlich der
Text ein Mäntelchen um
die Nachbildung wäre ,scheint hier offenbar
vorzuliegen.
Hält man diese letztere
Annahme für begründet, oder im Sinne des
Berufungsgerichtes (Seite 9)
für unbegründet, die Tatsache bleibt
jedenfalls bestehen, daß es
sich hier um eine Nachbildung handelt,
welche zur Verschönerung,
Belebung und Ausschmückung des Artikels
dient, welche ihn
augenfälliger und schmackhafter macht, welche
ihn aber nicht erläutert, und welche schließlich und
entscheidend
zur Erläuterung, zum Verständnisse, zur Verdeutlichung des
Textes
nicht notwendig
und nicht erforderlich ist.
Diese beiden Voraussetzungen
ergeben sich aber aus der oben
geschilderten Abfassung dieses Gesetzes und diese Voraussetzungen
werden auch von der
Rechtslehre gefordert. (Dr. Seiller, Urheberrecht,
Seite 121)
Ausgezeichnet und prägnant
hat auch der Herr Erstrichter das
Nichtvorliegen einer „Erläuterung“ in die Worte gekleidet:
„Der Text läßt sich genau so gut auch ohne das Bild
lesen und
verstehen.
Damit ist die Berufung auf § 34 Z. 4 hinfällig.“
Sinn der Ausnahmsbestimmung
des § 34 Z. 4 ist und bleibt der,
daß eine Nachbildung nur
dann ohne Genehmigung des Urhebers ge
bracht werden
darf, wenn sonst das betreffende Werk, der betreffende
Artikel nicht verständlich wäre.
Sinn und Zweck der Ausnahmsbe
stimmung ist nicht der, daß ein Literat sich, ohne die üblichen
Honorare für
Photographien zu bezahlen, diese aus Zeitungen, in
denen sie honoriert
erschienen sind, entnimmt und seine Geistes
produkte bzw.
Zitatsammlungen mit fremden, auf diese Weise konku
renzlos billigen
und damit um so willkommeneren Federn schmückt. –
Würde diese, von der beklagten
Partei geübte Praxis, im Literaten
gewerbe weitere
Ausbreitung finden, wäre die Arbeit des Photographen
und insbesondere des
Reportage-Photographen für fremde Taschen
geleistet. Daß eine solche
abwegige Praxis nicht eingreift, zu die
sem Zwecke wurde
die gegenständliche Klage
eingebracht und zu
diesem
Zwecke, somit zum Schutze des Photographengewerbes, wird
hiemit an den Obersten österreichischen Gerichtshof
appelliert.
Daß der Sinn der in Geltung
kommenden urheberrechtlichen Be
stimmungen und
die oben vorgenommene Auslegung zutrifft, wird
entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes auch von dem im ange
fochtenen Urteil zitierten Kommentar (Mager S 1422,
1423 u. 1434)
bestätigt.
Gerade dieser Kommentar sagt auf Seite 1422, daß
eine Einschrän
kung der Unverletzlichkeit des Urheberrechtes „nur dann
Platz
greifen kann,
wenn der mit der Wiedergabe eines fremden Geistes
produktes
verbundene Zweck das zu schützende Interesse des
Urhebers
überwiegt.“ Im vorliegenden Fall ist der Zweck „die
Erläuterung“, welche mit der geschehenen Aufnahme des Bildes
nicht erfolgt und noch
weniger zum Schutze eines überwiegenden
Interesses erforderlich war.
Wenn Mager auf Seite 1423 sagt: „Das Gesetz
darf nicht
mißbraucht
werden, unter dem Deckmantel eines literarischen
oder künstlerischen
Zweckes Eingriffshandlungen zu begehen;“
so gilt dieser Satz auch für
§ 34 Z. 4. Auch hier darf unter
dem Vorwande einer Erläuterung, welche weder
notwendig noch er
forderlich ist, nicht in das Urheberrecht eines Dritten
eingegriffen werden.
Wien, 14. April 1932.
Lothar Rübelt
An Kosten verzeichne ich:
Revisionsschrift verfaßt 120
S – g
+ 10% Einheitssatz 12 S
– g = S 132.–
- 10%
Krisenabschlag S 13.20
S
118.80
+ 2% W.U.St. S
2.38
Stempel S 19.50
S 140.68