Das Gesetz vom 26. Dezember 1895Kommentar zum österreichischen StrafrechtDie Fackel


16 Cg 552/51
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An das
Landesgericht für ZRS.,WIEN.


Klagende Partei: Lothar Rübelt, Photograph in Wien, I.,Wollzeile Nr.14.
Durch: Wächter


Beklagte Partei: Karl Kraus, Eigentümer, Herausgeber und
verantwortlicher Redakteur d. Zeitschrift
Die Fackel
Wien, III., Hintere Zollmatsstraße 3.
Durch: Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt in Wien, I.


Wegen: Verletzung des Urheberrechtes
(Streitwert 2.000 S)


REVISIONSSCHRIFT DER KLAGENDEN PARTEI!


Ich erhebe durch meinen bereits ausgewiesenen Vertreter
gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. März 1932,
16 Cg 552/31/13 in offener Frist
Revision
an den Obersten Gerichtshof.


Das Urteil wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten.


Als Revisionsgrund mache ich unrichtige rechtliche Beurtei
lung der Streitsache geltend.


Ich stelle den
Revisions-Antrag
auf Abänderung des angefochtenen Urteiles unter Stattgebung
der Klage im Sinne des Klagebegehrens sowie auf Verfällung
der beklagten Partei in die Kosten der drei Instanzen.


Revisionsgründe:


Das Landesgericht für ZRS. hat als im vorliegenden Fall
entscheidende I. Instanz die sämtlichen von der beklagtenPartei gegen mein Klagebegehren erhobenen Einwände für recht
lich unerheblich erklärt. Das angefochtene Urteil stimmt in
seiner Begründung mit der Rechtsansicht des Erstgerichtes,
was die Mehrzahl der Einwendungen betrifft, überein, kommt
aber schließlich zu einer anderen Entscheidung und zwar le
diglich unter Bezugnahme auf § 34 Z. 4 im Zusammenhang mit
§ 36 U.R.G. Es wird daher in vorliegender Revision lediglich
zu diesem, von der Berufungsinstanz entgegen dem Ersturteil
eingenommenen Rechtsstandpunkt Stellung genommen.


Das angefochtene Urteil meint, daß die Aufnahme des von
mir geschaffenen und unter meinem Urheberrecht stehenden
photographischen Bildes in den Artikel des Beklagten keine
Verletzung meines Rechtes bedeute, da das Bild „bloß zur
Erläuterung des Textes“ in das Schriftwerk Aufnahme gefunden
habe.


Diese Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes ist irrig.


Es mögen die Ausführungen auf Seite 8 des angefochtenen
Urteiles zutreffen und der Artikel „Rothschild muß sich
einschränken“ aus, nach einem einheitlichen Gesichtspunkte aus,
gruppierten Zitaten dritter Zeitungen bestehen, in welche das vor
liegende Bild organisch eingepaßt erscheint; es mag auch zutreffen,
daß im vorliegenden Falle das Schriftwerk als die Hauptsache er
scheint. Es mag weiter zugegeben werden, daß die Aufnahme des Bildes
den Artikel „anschaulicher“ mache. – Diese sämtlichen Tatsachen
genügen für die Anwendung des § 34 Z. 4 URG. nicht und sind für die
nach dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes entscheidende Frage, ob
nämlich die Aufnahme des Bildes bloß zur Erläuterung des Textes
erfolgte, belanglos.


Daß sich das Bild nach Anschauung des Berufungsgerichtes selbst
als ein Zitat darstellt, ist gleichfalls unbeachtlich, da vorliegend
nicht das Recht des Zitates im Sinne des § 25 Z. 2 URG. zur Diskus
sion steht, welches Recht im Hinblick auf § 36 URG. auch nach An
sicht des Berufungsgerichtes hier nicht in Frage kommt, sondern
lediglich das Recht der „Erläuterung“ im Sinne des § 34 Z. 4


Grundsätzlich ist zur Auslegung der entscheidenden Worte des
§ 34 Z. 4: „bloß zur Erläuterung des Textes“ folgendes fest
zuhalten:


Ein fundamentaler Grundsatz der Österreichischen Gesetzgebung
ist die Anerkennung des Eigentumsrechtes; der Schutz der eigenen
geistigen und manuellen Arbeit und des Produktes dieser Arbeit
vor dem Zugriff Fremder an dieser Arbeit nicht Beteiligter.


Dieser Grundsatz wird nur in ganz besonderen Ausnahmsfällen
durchbrochen, wenn das Interesse der Allgemeinheit, das Interesse
des einzelnen Bürgers übersteigt. Es darf die Arbeit eines Dritten
nur dann von dem daran Unbeteiligten ausgenützt werden, wenn dies
im Interesse der Allgemeinheit notwendig, bzw. erforderlich ist.


Dieser Grundsatz gilt auch im österreichischen Urheberrecht,
das ja gerade zum Schutze des geistigen, künstlerischen und ma
nuellen Arbeit des Einzelnen geschaffen wurde. Auch hier werden
diese Schutzbestimmungen nur dann durchbrochen, wenn dies im
Sinne des allgemeinen Interesses notwendig und erforderlich ist.


Nur in diesem Sinne wird im § 34 Z. 4 URG. eine Durchbrechung
des Schutzes der geistigen Arbeit zugelassen, indem die Aufnahme
von Nachbildungen erschienener Werke einen Eingriff in das
Urheberrecht des Schöpfers dieses Werkes nicht bedeutet, wenn
die Aufnahme: „bloß zur Erläuterung des Textes“ erfolgte. –


Die Textierung dieser Gesetzesstelle und die Aufnahme des
Wörtchens „bloß“ kennzeichnet ganz besonders die einschränkende
Absicht des Gesetzgebers.


Hinzu kommt und muß hier gleichfalls ausdrücklich festgehalten
werden, daß das Urheberrechts-Gesetz als Spezialgesetz keinesfalls
ausdehnend interpretiert werden darf, daß vielmehr darin enthaltene
Durchbrechungen des allgemeinen Grundsatzes auf Schutz des Eigen
tums nur einengend zu interpretieren sind.


Entscheidend ist sohin die Auslegung des Wortes „Erläuterung“,
welche bloß die Aufnahme der Nachbildung rechtfertigen kann.


Als „Erläuterung“ kann aber nicht das „anschaulichmachen“
gelten, wie es das angefochtene Urteil auf Seite 9 vermeint, ins
besondere dann nicht, wenn das Wort Erläuterung strenge auszulegen
ist, wie dies nach dem Vorausgeführten zweifellos der Fall ist.


Die gegenständliche, in den an sich nicht sehr zugkräftigen
Artikel der „Fackel“ aufgenommene Aufnahme bedeutet zweifellos
eine Ausschmückung, eine Verschönerung und eine Belebung des Artikels. Die wohl gelungene Aufnahme des mißvergnügten Geldmannes
bedeutet zweifellos ein Schmackhaftmachen des zähen Literaten
produktes; ja die Aufnahme und der Inhalt des Artikels rechtfer
tigen die hiemit ausgesprochene Annahme, daß die beklagte Partei
erst bei Ansichtigwerden dieses trefflichen Bildes und wohlgelun
genen photographischen Schnappschusses auf den Gedanken kam, Ex
zerpte aus anderen Zeitungen um dieses Bild zu sammeln und damit
seine nicht sehr begehrte Zeitschrift zu beleben. Das, was Mager
auf Seite 1434 des Kommentars von Altmann zitiert, daß nämlich der
Text ein Mäntelchen um die Nachbildung wäre ,scheint hier offenbar
vorzuliegen.


Hält man diese letztere Annahme für begründet, oder im Sinne des
Berufungsgerichtes (Seite 9) für unbegründet, die Tatsache bleibt
jedenfalls bestehen, daß es sich hier um eine Nachbildung handelt,
welche zur Verschönerung, Belebung und Ausschmückung des Artikels
dient, welche ihn augenfälliger und schmackhafter macht, welche
ihn aber nicht erläutert, und welche schließlich und entscheidend
zur Erläuterung, zum Verständnisse, zur Verdeutlichung des Textes
nicht notwendig und nicht erforderlich ist.


Diese beiden Voraussetzungen ergeben sich aber aus der oben
geschilderten Abfassung dieses Gesetzes und diese Voraussetzungen
werden auch von der Rechtslehre gefordert. (Dr. Seiller, Urheberrecht, Seite 121)


Ausgezeichnet und prägnant hat auch der Herr Erstrichter das
Nichtvorliegen einer „Erläuterung“ in die Worte gekleidet:
„Der Text läßt sich genau so gut auch ohne das Bild lesen und
verstehen. Damit ist die Berufung auf § 34 Z. 4 hinfällig.“


Sinn der Ausnahmsbestimmung des § 34 Z. 4 ist und bleibt der,
daß eine Nachbildung nur dann ohne Genehmigung des Urhebers ge
bracht werden darf, wenn sonst das betreffende Werk, der betreffende
Artikel nicht verständlich wäre. Sinn und Zweck der Ausnahmsbe
stimmung ist nicht der, daß ein Literat sich, ohne die üblichen
Honorare für Photographien zu bezahlen, diese aus Zeitungen, in
denen sie honoriert erschienen sind, entnimmt und seine Geistes
produkte bzw. Zitatsammlungen mit fremden, auf diese Weise konku
renzlos billigen und damit um so willkommeneren Federn schmückt. –
Würde diese, von der beklagten Partei geübte Praxis, im Literaten
gewerbe weitere Ausbreitung finden, wäre die Arbeit des Photographen
und insbesondere des Reportage-Photographen für fremde Taschen
geleistet. Daß eine solche abwegige Praxis nicht eingreift, zu die
sem Zwecke wurde die gegenständliche Klage eingebracht und zu
diesem Zwecke, somit zum Schutze des Photographengewerbes, wird
hiemit an den Obersten österreichischen Gerichtshof appelliert.


Daß der Sinn der in Geltung kommenden urheberrechtlichen Be
stimmungen und die oben vorgenommene Auslegung zutrifft, wird
entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes auch von dem im ange
fochtenen Urteil zitierten Kommentar (Mager S 1422, 1423 u. 1434)
bestätigt.


Gerade dieser Kommentar sagt auf Seite 1422, daß eine Einschrän
kung der Unverletzlichkeit des Urheberrechtes „nur dann Platz
greifen kann, wenn der mit der Wiedergabe eines fremden Geistes
produktes verbundene Zweck das zu schützende Interesse des
Urhebers überwiegt.“ Im vorliegenden Fall ist der Zweck „die
Erläuterung“, welche mit der geschehenen Aufnahme des Bildes
nicht erfolgt und noch weniger zum Schutze eines überwiegenden
Interesses erforderlich war.


Wenn Mager auf Seite 1423 sagt: „Das Gesetz darf nicht
mißbraucht werden, unter dem Deckmantel eines literarischen
oder künstlerischen Zweckes Eingriffshandlungen zu begehen;“
so gilt dieser Satz auch für § 34 Z. 4. Auch hier darf unter
dem Vorwande einer Erläuterung, welche weder notwendig noch er
forderlich ist, nicht in das Urheberrecht eines Dritten
eingegriffen werden.


Wien, 14. April 1932.
Lothar Rübelt


An Kosten verzeichne ich:
Revisionsschrift verfaßt 120 S – g
+ 10% Einheitssatz 12 S – g = S 132.–
- 10% Krisenabschlag S 13.20
S 118.80
+ 2% W.U.St. S 2.38
Stempel S 19.50
S 140.68


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