148.B.808/31. Abschrift.


Beschluss.


In der Privatklagesache
des Schriftstellers Karl Kraus, Wien III,Hintere Zollamtstrasse 3, Privatkläger,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Willy Katz,
Berlin SW.68, Friedrichstrasse 204,
gegen
den Rechtsanwalt Otto Landsberg,
Berlin W.8, Dorotheenstrasse 29, Beschuldigten,
wegen Beleidigung,
wird das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. Gerichts
kosten werden nicht erhoben. Die gerichtlichen Ausgaben werden
dem Beschuldigten auferlegt. Jede Partei hat ihre eigenen ausser
gerichtlichen Auslagen zu tragen.


Gründe:


Die Ermittlungen des Gerichts bestätigten die Schilderung des
Beschuldigten von dem Verlauf der Berufungsverhandlung vom 19.
Oktober 1931. Hieraus war die Erregung des Beschuldigten ohne
weiteres zu erklären. Denn er als gewissenhafter Anwalt konnte von
seinem Standpunkte aus die Beweisanträge des Privatklägers als
Verschleppungsanträge und rücksichtslose Ausnutzung der straf
rechtlichen Verfahrensvorschriften empfinden, zumal diese Anträge
von der herausfordernden Miene des Privatkläger begleitet wurden.
Die Worte des Beschuldigten, die, wie dem Privatkläger zuzugeben
war, Formalbeleidigungen darstellen, waren aber nur als offen
sichtliche, nicht streng zu ahndende Entgleisungen zu würdigen,
wie sie bei grosser Erregung wohl jedem gebildeten und beherrschten
Manne einmal unterlaufen können. Diese Meinung gewann das Gericht
auch aus der Persönlichkeit des Beschuldigten. Denn der beschließen
de Richter kannte ihn aus zahlreichen anderen Verfahren als zu
rückhaltenden und sich immer beherrschenden Anwalt, der auch in
gespannten Prozesslagen sachlich zu verhandeln bemüht blieb.
Trotz der den Worten des Beschuldigten innewohnenden Schärfe hielt
hielt es das Gericht bei der Besonderheit des vorliegenden Falles und
der daran beteiligten Personen, vor allem angesichts des eigenen
Verhaltens des Privatklägers, für zweckmässig, von der Einstellungs
befugnis der Notverordnung vom 6. Oktober 1931 Gebrauch zu machen
und die erstattungsfähigen Auslagen der Sachlage entsprechend zu
verteilen.


Berlin, den 13. Januar 1932
Das Amtsgericht Berlin-Mitte, Abteilung 148.
gez. Dr. Bues,
Amtsgerichtsrat


Ausgefertigt:
L.S. gez. Unterschrift, Justizangestellter
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Amtsgerichts.


Berlin, NW.40, den 4. Februar 1932
Alt Moabit 11


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