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L/G. Berlin, den 9. März 1932


An das
Landgericht I,10. Strafkammer,Berlin NW. 40.


In der Privatklagesache
Kraus ./. Landsberg
– 10. Q. 47/32 –
komme ich dem Ersuchen vom 2. ds.Mts. wie folgt
nach:


Zunächst stelle ich mich auf den Standpunkt,
dass die sofortige Beschwerde verspätet einge
legt worden ist. Der Beschluss vom 13. Januar d.J.
ist mir am 16. Januar zugegangen; der Angeschul
digte
eingeschriebene Brief, mittels dessen er
dem Privatkläger mitgeteilt worden ist, dürfte
am 17. Januar in dessen Besitz gewesen sein. Die
sofortige Beschwerde ist aber erst vom 15. v.Mts.
datiert.


Sollte die Beschwerde zulässig sein, so er
scheint sie mir unbegründet. Ich kann nur wieder
holen, dass ich durch die unerhörte Art, wie der
Privatkläger sich in dem ganzen Privatklagever
fahren gegen Herrn Theodor Wolff, namentlich aber
auch in dem Hauptverhandlungstermin II. Instanz
benommen hat, ausserordentlich gereizt gewesen
bin. Der Versuch, Menschen, die mit dem Prozess
auch nicht das Mindeste zu tun haben, hineinzu
ziehen, nur in der offenbaren Absicht, sie bloss
zustellen, erschien mir als würdelos, zumal wenn


er von einem Manne begangen wurde, der sich als Ethiker bezeichnet
Staatssekretär Weismann, der als Zeuge vernommen werden sollte,
ist bekanntlich der Schwiegervater von Dr. Kerr, lebt aber mit
diesem in Unfrieden. Dass er an einer Verhandlung zwischen Dr.
Kerr und Theodor Wolff teilgenommen haben konnte, war selbstver
ständlich ausgeschlossen. Wider besseres Wissen behauptete der
Privatkläger, dass Herr Weismann über den angeblichen Pakt zwi
schen den Herren Kerr und Wolff aussagen könne und stellte die
gleiche Behauptung auf von einer Schauspielerin, deren Name ein
mal in Verbindung mit dem des Herrn Weismann in der Öffent
lichkeit genannt worden war. Das Gericht wird es mir, hoffe ich,
nachfühlen, dass eine solch perfide Handlungsweise mich empört
hat. Es kam aber weiter hinzu, dass der Privatkläger, als ich in
der Hauptverhandlung völlig sachliche Ausführungen machte, mich
durch lautes Gelächter unterbrach und dass er dieser groben Un
gehörigkeit, nachdem ich sie scharf getadelt hatte, zunächst die
Bemerkung folgen liess, „seine Heiterkeit sei eine Reflexwir
kung meiner Ausführungen gewesen“ und weiter die Worte hinzufüg
te, „ihre Miene gefällt mir auch nicht“. Die erste dieser beiden
Aeusserungen kann nur den Sinn gehabt haben, dass die von mir ge
machten Aeusserungen lächerlich seien. Die erste zweite Bemerkung habe
ich dahin verstehen müssen, dass meine Gesichtszüge dem Privatkläger nicht sympathisch seien. Diese Häufung unschicklicher Aus
fälle hat mich zu der Charakterisierung des Privatklägers als
eines „unverschämten Patron“ veranlasst. Da tatsächlich das Ver
halten des Privatklägers Scham und Anstand vermissen liess,
glaube ich durchfür die von mir geübte Kritik das Recht der Beru
fung auf § 7 Kap. 1 des VI. Teils der Notverordnung vom 6. Oktober
v.Js. geltendmachen zu dürfen.


Es kommt hinzu, dass der Privatkläger der Letzte ist, der
sich über beleidigende Worte eines Gegners beschweren darf. Er
ist dafür bekannt, dass er seine Widersacher in der ungeheuer
lichsten Weise zu schmähen pflegt. Ich verweise in dieser Bezie
hung nur auf die aus den Akten Kraus ./. Wolff zu ersehende Art,
wie der Privatkläger die seine Polemik gegen Dr. Kerr enthalten
den Nummern seiner Zeitschrift verbreitet hat (siehe meinen
Schriftsatz vom 5. November 1928). Sein Verhalten gegenüber Dr.
Kerr ist aber nicht etwa ein Einzelfall. Er hat in seinem Wohnort,
Wien, infolge seiner Vorliebe für hemmungslose Anwürfe irgend
welcher ihm unsympathischen Personen, wiederholt die unangenehme
Erfahrung machen müssen, dass Männer, die er zur Zielscheibe be
leidigender Aeusserungen gemacht hatte, mit Tätlichkeiten antwor
teten. Übrigens auch Charakteristisch ist übrigens auch für ihn,
dass er es fertig bekommt, mit jemand, den er auf das Heftigste
angegriffen hat, wieder Freundschaft zu schliessen. Den verstor
benen Maximilian Harden hat er früher als den grössten Lügner der
Welt bezeichnet, während er jetzt eine Art Kultus mit ihm be
treibt. Der Schriftsteller Pfemfert, einer der von ihm benannten
Zeugen in der Sache Kraus ./. Wolff, hat ihn früher als den meist
geohrfeigten Mann von Wien bezeichnet. Jetzt sind er und der Privatkläger intime Freunde. Ich glaube nicht, dass der Privatkläger durch Empfindlichkeit zur Klage veranlasst worden ist, viel
mehr bin ich überzeugt, dass die Klage aus dem Herrn Kraus eige
nen Bedürfnis na n ch Sensationen hervorgegangen ist. Dieses Bedürfnis
zu befriedigen, liegt meiner Meinung nach kein Grund vor.


gez. Landsberg,
Rechtsanwalt.