Abschrift.
Berlin, den 31. März 1932
An das
Landgericht I– Strafkammer –Berlin NW.40
In Sachen
Kraus
./. Landsberg
– 10.Q.47/32 –
irrt der Beschuldigte insofern, als er
annimmt, dass die sofortige
Beschwerde
ver
spätet
eingelegt worden sei. Der Beschluss
vom 13. Januar 1932 ist lt.
Aktennotiz, wie ich
amtlich
versichere, am 9. Februar 1932 hier
eingegangen. Am 10. Februar
1932 empfing ich
ein Schreiben des
Rechtsanwalts Dr. Samek,
in Wien, wonach der Privatkläger ebenfalls
am 9. Februar 1932 eine
Ausfertigung des
Beschlusses
erhalten hat. Hiernach ist
die sofortige Beschwerde
rechtzeitig ein
gelegt.
Zu den übrigen Ausführungen,
die der
Beschuldigte in seinem Schriftsatz vom
9.
März 1932 macht, ist allgemein zu bemer
ken, dass es
verwunderlich bleibt, wie ein
Anwalt von langjähriger Erfahrung und
Le
benskenntnis sich zu grundlosen Verdächti
gungen und der
Wiedergabe ungeprüften, öden
Klatsches und Tratsches verstehen kann.
Wiederum erklärt der Beschuldigte, der Versuch, Menschen, die
mit dem Prozess nicht das
Mindeste zu tun hätten, hineinzuziehen
und zwar in der
offenkundigen Absicht, sie blosszustellen, hätte
ihn empört. Es ist bereits
früher darauf hingewiesen worden, dass
diese Empörung sich
reichlich verspätet geäussert haben müsste.
Denn seit mehr als einem
Jahre war auf diese Zeugen, deren
Benennung der Beschuldigte beanstandet, verzichtet worden.
Dagegen muss es auf’s
Schärfste zurückgewiesen werden, wenn der
Beschuldigte erklärt, die Angabe dieser Zeugen und die in
ihr
Wissen gestellten
beweiserheblichen Behauptungen seien seitens
des Privatklägers wider besseres
Wissen erfolgt, es läge eine
perfide Handlungsweise vor, und der Privatkläger hätte sich
würdelos benommen. Die
Beschimpfungen des Privatklägers, die
sich der Beschuldigte damit leistet, stellen
eine ungeheuerliche
Verletzung und Ueberschreitung der auch für Verteidigungszwecke
erlaubten Grenzen dar und
dürften selbst als strafbare Belei
digungen zu
kennzeichnen sein. Es kann keine Rede davon sein,
1dass die Zeugen wider
besseres Wissen benannt worden wären.
Vielmehr war dem früheren
Verteidiger des Privatklägers, Rechts
anwalt Dr. Laserstein, zur Kenntnis gelangt, dass diese
Zeugen
Aussagen über
Umstände machen könnten, die das Prozessthema
bildeten, was ja auch sehr
leicht möglich war, da sie vor dem
Unfrieden mit Herrn Dr. Kerr schon wegen der nahen Beziehungen
zu diesem Tatsachen erfahren
haben konnten, die das Leben des
2Dr. Kerr betrafen. Der Verzicht auf diese Zeugen ist lediglich
aus
dem Grunde erfolgt,
um eine Verschleppung des Prozesses an calendas
graecas zu unterbinden. Der
Beschuldigte beweist durch die bei die
ser Gelegenheit
gegen den Privatkläger gemachten Ausfälle, dass er
nicht in der Lage ist, eine
Prozessführung sachlich zu behandeln.
Was den Vorwurf des Beschuldigten betrifft, der Privatkläger sei
dafür bekannt, dass er seine Widersacher in der ung
heuerlichsten
Weise zu schmähen pflegt, so ist darauf zu erwi
dern, dass er in
Fällen, wo ihm dies notwendig scheint, die
schärfsten polemischen
Waffen anwendet, dass er dafür aber auch
stets die Verantwortung im
Gerichtssaal auf sich genommen
und den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen angetreten hat, –
wozu sich ja auch der Beschuldigte verstehen könnte. Der Privatkläger hat sich niemals auf eine Notverordnung berufen,
um sich einer Verantwortung
zu entziehen. Der Beschuldigte
bekommt es fertig, zum
Zwecke seiner Verteidigung dem Gericht
mitzuteilen, dass der Privatkläger
Gegenstand tätlicher Angriffe
gewesen ist. Er verschweigt einmal, dass es sich hier um Fälle
handelt, die 27 bis 38 Jahre
zurückliegen, und dass es sich
hierbei um Personen handelt, die mit Tätlichkeiten darauf ant
worteten, dass
ihnen die Wahrheit der vom Privatkläger mitgeteil
ten Tatsachen
unangenehm war. Der Privatkläger wurde im Jahre
1896 von einem Wiener Journalisten attackiert, wie dieser
angab, wegen einer Wendung
in der Literatursatire „Die demolierteLiteratur“, der er
eine falsche Deutung gab, indem er sie
fälschlich als einen
Eingriff ins Privatleben interpretierte.
In Wahrheit war er wegen der
an seinem unzulänglichen Deutsch
geübten Kritik aufgebracht.
Er wurde wegen Beleidigung vom
Bezirksgericht Josefstadt verurteilt. Im Jahre 1899 wurde der
Privatkläger von mehreren
Literaten gemeinsam und zwar wegen
eines die Korruption des
Wiener Theater- und Literaturlebens
betreffenden Aufsatzes in der
„Fackel“ überfallen und ver
letzt. Sämtliche
Angreifer wurden von der Staatsanwaltschaft
angeklagt und teils zu Arreststrafen im Ausmasse von 10 bezie
hungsweise 8
Tagen, teils zu hohen Geldstrafen verurteilt. Im
Jahre 1905 wurde der Privatkläger
von einem Kaberettunternehmer
und seiner Lebensgefährtin attackiert und vorletzt. Die Staatsanwaltschaft erhob die Anklage. Beide wurden verurteilt, der
der Mann zunächst zu einer Arreststrafe von einem Monat, in
der zweiten Instanz zu einer
hohen Geldstrafe, die Frau
zu einer niedrigeren
Geldstrafe. Das „Neue Wiener Journal“
hat
vor kurzem, ähnlich
wie der Beschuldigte, die Vorfälle aus
zugraben und zu
einer Verspottung des Privatklägers zu
benutzen versucht. Der
verantwortliche Redakteur dieser
Zeitung wurde daraufhin zu 200,– S Geldstrafe verurteilt.
Der Beschuldigte richtet sich selbst, wenn er mit derartigem
Material gegen den Privatkläger
Stimmung zu machen versucht.
Richtig ist, dass der
SchriftstellerPfemfert den Privatkläger früher einmal als den meistgeohrfeigten Mann von
Wien bezeichnet hat. Er hat diese Äusserung zurückgenommen
und sie bereut. Es ist aber
vollkommen unwahr, dass er und
der Privatkläger jetzt intime Freunde sind. Ebenso ist es eine
glatte Unwahrheit, dass der
Privatkläger früher MaximilianHarden als den
grössten Lügner der Welt bezeichnet habe, während
er jetzt eine Art Kultus mit
ihm betreibe. Der Privatkläger hat
Harden
jahrelang wegen seiner publizistischen Haltung ange
griffen und steht
auch heute zu seiner ehemaligen Kritik
an der literarischen
Persönlichkeit Hardens. Dies hat ihn
nicht verhindert, einen
Ausspruch des verstorbenen Schrift
stellers, den
dieser auf dem Totenbett getan hat, und zwar
wie im Prozess Kraus gegen
Wolff nachgewiesen worden ist,
in Übereinstimmung mit
früheren Äusserungen, zu verwerten.
Es muss nochmals wiederholt
werden, dass der Beschuldigte
die Unwahrheit sagt, wenn er
behauptet, der Privatkläger
habe seine „völlig
sachlichen Ausführungen“ durch lautes
Gelächter unterbrochen. Der
Privatkläger weiss nichts davon.
Es ist aber möglich, dass er
zu den Ausführungen des Beschuldigten
gelächelt hat, besonders, wenn sie ebenso sachlich
waren wie sein Schriftsatz. Dieses Lächeln veranlasste den
Beschuldigten zu einer Kritik an der Miene des Privatklägers,
die
sich nicht in sachlichen Grenzen hielt. Darauf
erwiderte der Privatkläger:
„Ihr Gesicht
gefällt mir auch nicht.“
Das Wort „auch“, sowie die
in der Klage angegebenen Zeugen,
können und müssen die
Wahrheit der klägerischen Darstellung
dartun. Hierauf stiess der
Beschuldigte hervor: „Unverschämter
Patron.“ Der Privatkläger
betont noch, dass ein Prozess mit
dem Beschuldigten, entgegen der Annahme dasselben, ihm keine
4Sensation bedeutet.
Begl. Abschrift ist dem Beschuldigten direkt zugestellt worden.
gez. Dr. Katz
Rechtsanwalt