Sehr geehrte Herren!
Wir danken Ihnen bestens für ihr
so freundliches Schreibenvom 26. Februar, worin
Sie uns mitteilen, daß Sie sich sofort an die
Direktion des Neuen Deutschen Theaters in Prag gewendet haben, und wo
rin Sie prinzipiell
die Zusicherung geben, daß Sie nicht nur dem Wort
laut und dem Sinn der vertraglich
übernommenen Verpflichtung, sondern
auch dem Sinn der Überlassung von
Offenbach-Werken an Ihren Verlag zu
entsprechen und diese „jedem
Übergriff einer Bühne gegenüber zu schüt
zen“ bemüht sein
werden. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, daß aus
Ihrem Antwortschreiben, welches lediglich die Verpflichtung der
Bühnen,
„den
Text völlig unverletzt zu sprechen“, betont, nicht klar hervor
geht, ob Sie gleich uns als einen
solchen „Übergriff“ die Zerstörung
des A B C-Sextetts durch jene bildliche Zutat empfinden. Was die von
der Kritik des „Sozialdemokrat“ erwähnten Abweichungen vom Text an
langt, so ist ja die
Tatsache, daß Herr Karl Kraus Ihnen vorher „kei
nerlei
Mitteilung“ davon gemacht hat, eben aus unserer Feststellungvom 26. Februar zu
erklären, daß er solche Abweichungen „an Ort und
Stelle nicht
wahrgenommen“ hat. Wir haben übrigens vorsichtshalber bei
Herrn Dr. Franzel angefragt, ob es sich nicht um die von Herrn Kraus
selbst festgelegten Striche
handeln könnte. Wären andere Text-Abwei
chungen schon bei den Proben
bemerkt worden, so hätte Herr Kraus ja an
Ort und Stelle dagegen Einspruch
erhoben. Was aber ohne Zweifel von
dem Bild dieser Proben abweicht, damals nicht wahrgenommen und eben in
Abwesenheit des Textautors, bei der Erstaufführung, gezeigt wurde, ist
jene festgestellte skandalöse
Zutat, mag sie nun ein Exkrement der
Phantasie des Regisseurs sein oder der Einfall eines launigen Buffos,
den er mit Erlaubnis der Regie
angebracht hat. Sie werden nicht leug
nen, daß durch dergleichen das
Kunstwerk, Musik sowohl wie Text, Scha
den nimmt, und überzeugt sein,
daß der Autor des Textes und Schützer
des Werkes jeder moralischen Berechtigung verlustig würde, in
Zukunft
noch gegen Offenbach-Schändungen aufzutreten, wenn er eine, die
sich
unter seinem eigenen
Namen vollzieht, pardonierte. Im Gegenteil ist er
der Ansicht, daß die
grundsätzliche Verwüstung Offenbachs durch den
Zeitgeist des Theaters läßlicher
ist als eine bis zu einem gewissen
Grad stilsaubere Aufführung, an der dem Textautor
mit Recht ein Anteil
zugeschrieben wird und die den Eindruck der Autorisation auch für den
eingelegten Klamauk in Anspruch
nimmt. Die Vorstellung, daß er für der
gleichen durch „persönliche Anwesenheit“
die Verantwortung übernommen
hätte, ist absurd.
Wir möchten Sie deshalb bitten,
uns mitzuteilen, in welchem
Sinne
Sie an die Prager Direktion herangetreten sind.
Textliche Abwei
chungen als solche könnten leicht in Abrede gestellt werden und wären
wohl auch nur durch den Autor selbst nachzuweisen, wichtig und unerläß
lich ist, daß die Direktion die Zusicherung gibt, auf jenes
abscheuli
che
Extempore, das der Textautor für einen Eingriff in
sein Werk hält,
zu verzichten.
Sollten Sie nicht in der Lage sein, eine solche Zusiche
rung zu verlangen, und nicht in
diesem Sinne an die Direktion herange
treten sein, so werden wir selbst
den Versuch machen, sie zu einer Er
klärung zu bewegen. Wir sind
dahin informiert, daß eine Möglichkeit, die
gräßliche Zutat als
autorrechtlichen Eingriff abzuwehren, durchaus be
steht. Wie dem immer aber sein
mag, hält sich, wenn die Direktion die
von ihm verlangte Zusicherung
nicht abgibt, Herr Karl Kraus nicht nur
für berechtigt, sondern auch für
verpflichtet, zu erklären, daß sein
Name wie der Offenbachs gegen seinen Willen in eine Verbindung mit der
artigen Dingen
gebracht sei, und die Rehabilitierung des verunehrten
Werkes im eigenen darstellerischen Wirkungskreis am Tatorte zu
voll
ziehen.
Mit vorzüglicher Hochachtung