Der Scheinwerfer. Programmschrift des Essener Stadttheaters, März 1932Madame l’archiduc


Sehr geehrte Herren!


Ein Herr Hans Költzsch sagt in der
offiziellen Programmschrift des Essener Stadttheaters, die wir
am 10. März erhalten haben, über „Madame L’Archiduce“ auf
Seite 6:


„‚Madame Erzherzog‘ steht spät genug in der Reihe
von Offenbachs Werken, dass seinem Schöpfer nicht
gelegentlich Routine und Handwerk durchging: der
(noch immer reizvolle) Leerlauf ganzer Stücke,
Couplets, Chöre, melodischer Floskel, Kadenzwendungen
ist nicht zu verkennen –“.


Diese in entsprechendem Deutsch vorgebrachte
Dreistigkeit gegen ein Werk, dem derselbe Betrachter mit Recht
Mozartrang zuerkennt, ist für uns nur durch die freilich i m n
hohe n m Grade überraschende Fussnote beträchtlich, welche in
dem folgenden Satz besteht, aus dem klar hervorgeht, dass die
Essener Bühne diese undiskutierbare Meinung in die ent
sprechende
[¿¿¿¿¿¿¿¿¿] Tat umzusetzen gewagt hat. Die Fussnote lautet:


„und wurde in der Essener Erstaufführung durch
geschickte Kürzungen auf ein erträgliches Mass
reduziert.“


Auf Seite 7 desselben Artikels spricht der
Herr Költzsch davon, dass ein von ihm anerkannter Wert
des Werkes „uns durch die beiden Schlusstücke frivolisiert
erscheinen muss“. Diese Dreistigkeit hat unverkennbar gleich
falls ihre Umsetzung in eine dramaturgische Tat gefunden, denn
auch zu ihr bemerkt man eine Fussnote, die wörtlich lautet:


„Ein Grund für die in Essen vorgenommene Aenderung:
die Operette mit einem Zurückgreifen auf ein Ensemble
des ersten Aktes zu schliessen.“


Ich ersuche Sie, mir durch den Boten, der
diesen Brief überbringt, den Vertrag zu übersenden, den Sie mit
der Essener Bühne abgeschlossen haben. Ich zweifle nicht, dass
die Prüfung dieses Vertrages ergeben wird, dass er mit unserer
Vereinbarung, den Bühnen aufzuerlegen, dass Aenderungen im
Text oder in der Musik nicht ohne Zustimmung des Herrn KarlKraus vorgenommen werden dürfen, im Einklang ist.


Ich zweifle auch nicht, dass Herr Dr.Heinsheimer, als er am 5. März mit uns über die Essener Auf
führung und insbesondere über ein in der Programmschrift ver
öffentlichtes Szenenbild in positivstem Sinn sprach, von dem
Geständnis des Vertragsbruchs, das in der Programmschrift abge
legt wird, nichts gewusst hat, weil er den Artikel noch nicht
gelesen hatte.


Wenn Sie, wie wir selbstverständlich von
vorneherein gerne annehmen, es nicht unterlassen haben, die
Bühne entsprechend unserer Vereinbarung vertraglich zu binden,
so werden Sie die Konsequenz zu ziehen haben, gegen die Bühne
vorzugehen. Unter allen Umständen behalten wir uns den eigenen
Schritt nach dem Urheberrecht gegen die Essener Bühne vor, an
die wir uns bereits in diesem Sinne telegraphisch gewendet haben.


In vorzüglicher Hochachtung