Madame l’archiduc


Sehr geehrte Herren!


Sie haben uns trotz unserer Mitteilung vom 23. Februar
den Empfang unseres Eilbriefes vom 16., mit dem Herr Karl Kraus un
mittelbar nach seiner Ankunft aus Prag befaßt war, bis heute nicht
angezeigt, wenn nicht etwa der am 25. Februar ausgesprochene Dank
„für seine künstlerischen Bemühungen“ auch auf diese Arbeit zu be
ziehen wäre. Leider scheint sie wie auch manche Anstrengung der Pro
benarbeit insofern vergeblich gewesen zu sein, als – nach dem Be
richt zuverlässiger Prager Gewährsmänner, die das Gute durchaus an
erkannten – etliche Wünsche (und die ihnen entsprechenden Zusagen)
nicht erfüllt zu sein scheinen, ja einiges dazugekommen sein dürfte
was dem Stil des Werkes wie den angegebenen Richtlinien diametral
entgegensteht. Die Ungeheuerlichkeit des nach dem A B C-Sextetts
vorgewiesenen Requisits, gegen die wir (als gegen einen Eingriff in
den Textbestand) bei der Universal-Edition protestiert haben, ist ja
nun inzwischen wieder beseitigt worden. Dagegen erfahren wir, daß
der Darsteller des Giletti, den der Textautor damals nicht ge
sehen hat und dem er natürlich die neuwienerischen Operettenallüren
abgewöhnt hätte, sich auch Änderungen des Textes erlaubt. Sollte
dies wirklich der Fall sein, so werden wir selbstverständlich nicht
zögern, von unserem vertraglich festgelegten und in solchem Fall
kaum anfechtbaren Autorrecht dem Verlag und Vertrieb gegenüber Ge
brauch zu machen. Es wäre doch wohl eine etwas groteske Vorstellung,
daß sich Herr Karl Kraus seine Sätze von einem Tenorbuffo redigie
ren ließe. Daß er, jenseits allen autorrechtlichen Anspruchs, gegen
Stilwidrigkeiten im Gebiet der eigenen Offenbach-Bearbeitungen sich
mit moralischem Recht verwahren dürfte und müßte, versteht sich bei
seinem bekannten Auftreten gegen die heute üblichen Prozeduren mit
Offenbach von selbst, und wir haben Sie seinerzeit ausdrücklich da
von in Kenntnis gesetzt. Wir stehen nicht an zu erklären, daß wir
die grundsätzliche Schändung eines Werkes, wie sie heute für Ge
schäftszwecke und einem verlumpten Geschmack zuliebe betätigt wird,
für erträglicher halten als die Kompromittierung einer sonst sti-
bemühten Wiedergabe durch irgendwelche angeblich zeitbedingte Min
derwertigkeit. Umsomehr, als sich doch jene offenkundig ohne unsere
Einflußnahme vollzieht, während hier der Name des Textautors und
vollends seine persönliche Probenassistenz, von der das Theater pu
blizistischen Gebrauch gemacht hat, ihm die Verantwortung für das
Ganze aufbürdet. Selbstverständlich muß er sie dort ablehnen, wo das
Theater seiner Forderung entgegen gehandelt hat.


Was das Autorrecht im eigentlichen Sinn anlangt, so möch
ten wir Sie noch darauf aufmerksam machen, daß es sich auch auf den
Nachdruck von literarischen Arbeiten in Ihrer Programmschrift be
zieht. Wir haben Ihnen diesen Nachdruck kostenlos überlassen, unter
der Bedingung, daß der Probeneindruck keinen krassen Widerspruch zu
den dort ausgesprochenen Gedanken über die Offenbach-Renaissance
sichtbar werden ließe. Das war der Fall, wiewohl wir Ihnen heute sa
gen müssen, daß die bloße Ahnung jenes in der Erstaufführung ange
brachten Einfalls die Nachdruckserlaubnis verwehrt hätte. Wir wissen
nun freilich noch immer nicht, ob Sie von ihr tatsächlich Gebrauch
gemacht haben. Wenn es nicht der Fall ist, hätten Sie uns es wohl
mitteilen, wenn es der Fall ist, uns ein Belegexemplar des Nach
drucks zusenden müssen. Schließlich wäre ja vielleicht eine Übersen
dung des Programms an den Textautor, der sich doch „künstlerisch be
müht“ hatte, selbst dann am Platze gewesen, wenn es nichts enthielte
als den Theaterzettel. Sollten Sie ein Programm mit dem seinerzeit
erbetenen Nachdruck ausgegeben haben, so ersuchen wir Sie, die Zu
sendung eines Exemplars, wie es bei der Erstaufführung ausgegeben
wurde, nachzuholen.


In diesem autorrechtlichen Zusammenhange möchten wir Sie
schließlich bitten, unrichtige Ankündigungen der „Madame l’Archiduc“ künftig unterlassen zu wollen, von der Art jener, die das Werk
als „die beste Nachkriegsoperette“ in eine ebenso üble wie unfundier
te Verbindung zu bringen verbucht hat und der wir mit einer Berich
tigung entgegentreten müßten. Wir zweifeln nicht, daß Sie, in dem
Sinne mancher vom Textautor anerkannten Bemühung, auch diesem Wunsch,
Stilwidrigkeiten zu vermeiden, entsprechen werden.


Mit vorzüglicher Hochachtung


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