Sehr geehrter Herr Kollega!


Sie haben im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus eine
Ehrenbeleidigungsklage gegen den verantwortlichen Schriftleiter der WienerMittagszeitung, Karl Mautner, eingebracht.


Ich kann bezüglich der inkriminierten Anekdote nur erklären,
dass sowohl meine Mandantin, die Wiener Allgemeine Zeitungs- und Verlags-A.G.,
als auch ich über diese ungebührliche und unverzeihliche Anpöbelung Ihres
Herrn Mandanten auf das tiefste betroffen sind und zur Entschuldigung nur
anführen können, dass die Aufnahme dieser Anekdote in die Zeitung tatsäch
lich nur infolge der Vernachlässigung jener Sorgfalt möglich war, die der
verantwortliche Schriftleiter hatte anwenden müssen.


Meine Mandantin hat die schuldtragenden Personen zur Ver
antwortung gezogen und bittet Sie, sehr geehrter Herr Kollega, Ihrem HerrnMandanten ihre Entschuldigung mit der Bitte zur Kenntnis zu bringen, er
möge sich, da ja eine Wiedergutmachung anderer Art nicht möglich ist, mit
dieser Entschuldigung begnügen.


Selbstverständlich ist meine Mandantin auch bereit, Ihre
Kosten, um deren ziffernmäßige Bekanntgabe ich ersuche, sofort zu beglei
chen, so dass allenfalls die für den 7. März 1932 anberaumte Hauptverhand
lung unbesucht bleiben könnte.


Mit Rücksicht darauf, dass es sich tatsächlich nicht um
eine von der Zeitung beabsichtigte Ehrverletzung Ihres Herrn Mandanten,
sondern lediglich um eine, wenn auch unverzeihliche, Fahrlässigkeit han-
delt, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn diese Art der Erledigung unter
Vermeidung des Prozesses möglich wäre, wobei wir natürlich auch bereit
sind, Herrn Kraus durch Veröffentlichung einer angemessenen Erklärung,
falls hierauf Gewicht gelegt werden sollte, Genugtuung zu bieten.


Ich sehe Ihrer gesch. Rückäusserung entgegen und zeichne mit
kollegialer


Hochachtung:
Dr. Schreiber


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